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Tunnel - 01 - Das Licht der Finsternis

Tunnel - 01 - Das Licht der Finsternis

Titel: Tunnel - 01 - Das Licht der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Roderick & Williams Gordon
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all diese Gerüche!«
    Will stützte sich auf den Ellbogen und schnupperte. »Welche Gerüche?«
    »Nach Essen … alle möglichen Arten von Essen … und …« Cal verzog das Gesicht. »Abwasser, jede Menge Abwasser … und Chemikalien …«
    Während Will die Luft einsog und sich erneut darüber freute, wie wundervoll frisch sie war, dämmerte ihm, dass er nicht ein einziges Mal darüber nachgedacht hatte, was sie als Nächstes tun sollten. Wohin sollten sie gehen? Er hatte sich so sehr auf die Flucht konzentriert, dass er an die Zeit danach nicht einen Gedanken verschwendet hatte. Langsam stand er auf und betrachtete seine und Cals nasse, dreckverkrustete Kolonistenkleidung und den unmöglich großen Kater, der inzwischen mit der Nase im Uferschlamm wühlte wie ein Schwein auf Trüffelsuche. Der Wind frischte auf und brachte eine eisige, winterliche Kälte mit sich. Will begann, heftig zu zittern und mit den Zähnen zu klappern. Ihm wurde bewusst, dass weder sein Bruder noch Bartleby während ihres geschützten, unterirdischen Lebens jemals den Wetterextremen der oberirdischen Welt ausgesetzt gewesen waren. Er musste dafür sorgen, dass sie sich in Bewegung setzten, und zwar schnell. Aber er hatte kein Geld dabei, nicht einen einzigen Penny.
    »Wir werden zu Fuß nach Hause gehen müssen.«
    »Prima«, sagte Cal bereitwillig, den Kopf weit in den Nacken gelegt und den Blick starr auf die Sterne am Himmelszelt gerichtet. »Endlich bekomme ich sie zu sehen«, flüsterte er.
    Ein Hubschrauber schob sich über den Horizont.
    »Warum bewegt sich dieser Stern?«, fragte Cal.
    Will war zu müde für eine Erklärung. »Das machen sie nun mal so«, erwiderte er matt.
    Als sie aufbrachen, bewegten sie sich dicht am Ufer entlang, um nicht aufzufallen, und schon bald erreichten sie eine Steintreppe, die zur Uferpromenade hinaufführte. Die Stufen verliefen neben einer Brücke. In dem Moment wusste Will, wo sie sich befanden – das war die Blackfriars Bridge.
    Am oberen Ende der Treppe versperrte ihnen ein Tor den Weg, sodass sie hastig über die daran angrenzende breite Mauer kletterten, um auf die Uferpromenade zu gelangen. Die beiden triefend nassen Jungen sahen sich fröstelnd um. Will wurde von dem schrecklichen Gedanken erfüllt, dass die Styx selbst hier oben ihre Spione haben könnten, die nach ihnen Ausschau hielten. Er hatte das Gefühl, dass er niemandem vertrauen durfte, und er musterte die wenigen Leute auf der Promenade mit wachsendem Misstrauen. Doch außer einem jungen Pärchen, das Händchen hielt, kam niemand in ihre Richtung. Und auch diese beiden schlenderten an ihnen vorbei, so sehr mit sich selbst beschäftigt, dass sie die Jungen und den riesigen Kater nicht zu bemerken schienen.
    Will ging vor und stieg die Stufen zur Brücke hinauf. Oben angekommen, sah er die Lichter des IMAX-Kinokomplexes rechts von ihnen und wusste instinktiv, dass das nicht die richtige Flussseite war. London bildete für ihn ein Mosaik aus unterschiedlichen Orten, die er bei Museumsbesuchen mit seinem Vater oder bei Schulausflügen kennengelernt hatte. Doch der Rest, die dazwischenliegenden Viertel, war ihm ein absolutes Rätsel. Es gab nur eine Möglichkeit: Er musste auf seinen Orientierungssinn vertrauen und versuchen, sie nach Norden zu führen.
    Als sie sich nach links wandten und über die Brücke liefen, entdeckte Will ein Hinweisschild in Richtung King’s Cross und wusste sofort, dass sie auf dem richtigen Weg waren. Nachdem sie die Brücke überquert hatten, zwang sie der Verkehr, einen Moment stehen zu bleiben. Will betrachtete Cal und den Kater im Schein einer Straßenlaterne. Drei verdächtig wirkende, umherirrende Seelen … sie waren trotz der Dunkelheit so auffällig wie bunte Hunde. Will wusste, dass zwei Jungen, die bis auf die Haut durchnässt waren und zu dieser späten Stunde durch die Straßen Londons liefen – ob nun mit oder ohne riesige Kater –, früher oder später Aufmerksamkeit erregen würden. Und von der Polizei aufgegriffen zu werden, war das Letzte, was er in diesem Moment wollte. In Gedanken legte er sich eine Geschichte zurecht, die er wieder und wieder durchging, nur für den Fall der Fälle.
    »Hallooo … wen haben wir denn hier?« , hörte er die beiden imaginären Polizisten fragen.
    »Äh … wir führen nur den … den Ka …« Will brach seine fiktive Antwort ab. Nein, das würde nicht funktionieren; er musste sich etwas Besseres überlegen. Er versuchte es erneut: »Guten Abend, Sir.

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