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Tunnel - 01 - Das Licht der Finsternis

Tunnel - 01 - Das Licht der Finsternis

Titel: Tunnel - 01 - Das Licht der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Roderick & Williams Gordon
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Verschwinden seines Vaters geführt hatte, denn sie war ja dabei gewesen, hatte sie alle beobachtet und ausspioniert … Ihre Anwesenheit verseuchte all seine Erinnerungen. Sie hatte den schlimmsten Betrug begangen, den man begehen konnte – sie war ein von den Styx gesandter Judas.
    »Miststück!«, schnaubte er, riss die Liste von der Tür, zerknüllte sie und schleuderte sie auf den Boden.
    Als das Papierknäuel über die blanken Linoleumfliesen rollte, die Rebecca Woche für Woche mit nervtötender Regelmäßigkeit gewischt hatte, warf Will einen Blick auf die stehen gebliebene Uhr an der Wand und seufzte. Er ging zur Spüle, füllte zwei Gläser und ein Schälchen mit Wasser und kehrte ins Wohnzimmer zurück. Cal und der Kater lagen zusammengekuschelt auf dem Sofa und schliefen; Cals Kopf war auf seine Schulter gesunken. Will sah, dass beide froren, also holte er ein paar Bettdecken aus dem oberen Stockwerk und drapierte sie über die schlafenden Gestalten. Die Heizung war ausgeschaltet, sodass es in den Räumen kühl, aber glücklicherweise noch nicht eiskalt war. Mit seiner Vermutung, dass die beiden nicht an diese niedrigen Temperaturen gewöhnt waren, hatte er offensichtlich richtig gelegen. Er nahm sich vor, sie am nächsten Morgen mit warmer Kleidung auszustatten.
    Rasch trank er sein Glas Wasser, setzte sich in den Sessel seiner Mutter und wickelte sich in ihr Reiseplaid. Mit halb geschlossenen Lidern schaute er noch einen Moment in Richtung Fernsehbildschirm, auf dem todesmutige Snowboard-Stunts präsentiert wurden. Dann kuschelte er sich unter die Decke, so wie seine Mutter es jahrelang gemacht hatte, und fiel in einen tiefen Schlaf.

33
    Tam stand schweigend und mit herausforderndem Blick da; er war entschlossen, sich nichts von seiner Beklommenheit anmerken zu lassen. Er und Mr Jerome warteten vor dem langen Tisch, die Hände hinter dem Rücken, wie beim Appell.
    Hinter dem auf Hochglanz polierten Eichentisch thronte das Tribunal – die ranghöchsten und mächtigsten Mitglieder des Styx-Rats. Und an den Enden des Tisches saßen ein paar bedeutende Kolonisten: Vertreter des Gouverneursrats, Männer, die Mr Jerome schon seit seiner Kindheit kannte, Männer, die seine Freunde waren. Er bebte vor Scham – die Schande war einfach zu groß – und wagte nicht, ihnen in die Augen zu schauen. Niemals hätte er für möglich gehalten, dass es so weit kommen würde.
    Tam war weniger eingeschüchtert: Man hatte ihn schon mehrfach vors Tribunal zitiert und er war noch jedes Mal irgendwie davongekommen. Obwohl es hier um schwerwiegende Anschuldigungen ging, wusste er, dass sein Alibi hieb- und stichfest war. Dafür hatten Imago und seine Männer gesorgt. Tam sah, wie die Schmeißfliege sich mit einem anderen Mitglied des Tribunals beriet und sich dann zurücklehnte, um mit einem Styx-Kind zu reden, das halb versteckt hinter der hohen Stuhllehne stand. Das war nun wirklich ungewöhnlich, dachte Tam. Normalerweise hielten die Styx ihre Kinder unter Verschluss und von der Kolonie fern: Die Neugeborenen bekam man nie zu Gesicht und der ältere Nachwuchs lebte Gerüchten zufolge mit den Lehrern in der abgeschlossenen und exklusiven Welt ihrer Privatschulen. Tam hatte noch nie davon gehört, dass die Kinder ihre Eltern in der Öffentlichkeit begleiteten – ganz zu schweigen bei solch einem Tribunal.
    Tams Gedanken wurden unterbrochen, als die Styx in eine heftige Debatte ausbrachen. In ihrer rauen Sprache geflüsterte Worte liefen von einem Ende des Tischs und wieder zurück, wobei knochige Finger dem Gesagten mit einer Reihe von schroffen Gesten Nachdruck verliehen. Tam warf einen kurzen Blick auf Mr Jerome, der mit gesenktem Kopf vor sich hin starrte. Er schien ein Gebet zu murmeln und der Schweiß stand ihm auf der Stirn. Sein Gesicht war aufgedunsen und seine Haut wirkte ungesund gerötet. Die ganze Situation setzte ihm sehr zu.
    Plötzlich mündete die Aufregung am Tisch in einmütiges Kopfnicken und stakkatoartig geäußerte Zustimmung. Dann lehnten die Styx sich zurück und im Raum breitete sich eine eisige Stille aus. Tam wappnete sich. Jeden Moment würde ein Urteil erfolgen.
    »Mr Jerome«, setzte der Styx links von der Schmeißfliege an. »Nach eingehender Prüfung und sorgfältiger Beratung …«, er fixierte den zitternden Mann mit seinen schwarzen Augen, »… erlauben wir Ihnen, den Zeugenstand zu verlassen.«
    Sofort übernahm ein anderer Styx das Wort: »Wir sind der Ansicht, dass das Unrecht, das

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