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Tunnel - 01 - Das Licht der Finsternis

Tunnel - 01 - Das Licht der Finsternis

Titel: Tunnel - 01 - Das Licht der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Roderick & Williams Gordon
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Erdinnere gezerrt, und es gab absolut nichts, was sie dagegen tun konnten.
    Ehe sie sich’s versahen, beförderte sie der Polizist um eine Krümmung im Tunnel, hinter der sich plötzlich eine weite Fläche öffnete. Sprachlos starrten die Jungen auf das Gewirr von Brücken, Aquädukten und erhöhten Laufstegen, das sich über ein buntes Durcheinander aus gepflasterten Straßen und Gassen und dichter Bebauung erstreckte.
    Der Polizist zerrte sie im Stechschritt weiter, und immer mehr Menschen beobachteten sie. Dicht zusammengedrängt standen sie auf den Gehwegen, mit neugierigen doch ansonsten ausdruckslosen Mienen. Aber nicht alle Gesichter ähnelten dem ihres Wärters oder denen der beiden Männer, die die Jungen durch Highfield verfolgt hatten – den Gesichtern mit der fahlen Haut und den leeren Augen. Abgesehen von ihrer altmodischen Kleidung sahen einige der Leute hier ganz normal aus und hätten sich in jeder britischen Stadt vollkommen unbemerkt bewegen können.
    »Hilfe, Hilfe!«, schrie Chester verzweifelt und versuchte erneut, sich aus dem Griff des Polizisten zu winden. Will bekam von den verzweifelten Bemühungen seines Freundes kaum etwas mit. Seine Aufmerksamkeit war von einem hochgewachsenen, hageren Mann in Beschlag genommen, der neben einer Laterne stand. Sein hartes Gesicht leuchtete blass über dem steifen weißen Kragen und dem langen dunklen Mantel, der das Licht so stark reflektierte, als wäre er aus glattem Leder gefertigt. Er ragte auffällig aus der Gruppe untersetzter Leute heraus, die ihn umstanden; seine Schultern waren leicht nach vorne gebeugt wie ein stark gespannter Bogen. Seine gesamte Erscheinung strahlte etwas Bedrohliches und Böses aus, und seine dunklen Augen starrten Will unverwandt an. Will spürte, wie ihn eine Woge der Angst erfasste.
    »Ich glaube, jetzt stecken wir echt in Schwierigkeiten, Chester«, flüsterte er, ohne den Blick von dem finsteren Mann abwenden zu können, dessen schmale Lippen sich zu einem sardonischen Lächeln verzogen.

21
    Rüde vorwärtsgestoßen stolperten Will und Chester ein paar Stufen hinauf. Die kleine Treppe führte in ein eingeschossiges Haus, das zwischen tristen Gebäuden lag – Büros oder Fabrikhallen oder etwas Ähnliches –, zumindest nahm Will das an. Drinnen blieb der Polizist plötzlich abrupt stehen, wirbelte sie herum und zerrte ihnen die Rucksäcke von den Schultern. Dann stieß er die Jungen brutal auf eine glatte Eichenbank, deren Oberfläche an manchen Stellen glänzende Dellen aufwies, als hätten jahrzehntelang Scharen von Missetätern auf ihr gesessen. Will und Chester stöhnten auf, als sie mit den Rücken gegen die Wand knallten und nach Luft rangen.
    »Rührt euch nicht von der Stelle!«, donnerte der Polizist und postierte sich zwischen die beiden Jungen und den Ausgang. Will reckte den Hals ein wenig, damit er an dem Mann vorbei durch die Tür auf die Straße sehen konnte. Dort hatte sich inzwischen eine große Menschenmenge versammelt. Viele der Zuschauer rempelten sich gegenseitig an, um eine bessere Sicht zu bekommen, und einige Männer stießen wütend Verwünschungen aus und drohten mit der Faust, als sie Will entdeckten. Rasch lehnte er sich zurück und versuchte, Blickkontakt zu Chester aufzunehmen, doch sein zu Tode erschreckter Freund sah starr zu Boden.
    Neben der Tür entdeckte Will ein Anschlagbrett mit einer großen Anzahl schwarz umrandeter Zettel. Die Schrift war zwar zu klein, als dass er sie von seinem Platz aus hätte lesen können, aber er entzifferte ein paar handgeschriebene Überschriften wie Beschluss und Erlass, gefolgt von einer Reihe von Zahlen.
    Die Wände der Polizeiwache waren vom Boden bis zu einer Leiste auf halber Höhe schwarz gestrichen, während die obere Hälfte in einem gebrochenen Weiß gehalten war, das an manchen Stellen abblätterte und Schmutzspuren aufwies. Die Decke glänzte speckig in einem unangenehmen Nikotingelb und besaß tiefe Risse, die sich in alle Richtungen erstreckten, wie die Straßenkarte eines unbekannten Landes. An der gegenüberliegenden Wand entdeckte Will das Bild eines Furcht einflößenden Gebäudes mit Schlitzen statt Fenstern und einem massiven Gitter vor dem Haupteingang. Darunter stand die Inschrift »Newgate Prison« – ein jahrhundertealtes, berüchtigtes Gefängnis, abgerissen im Jahr 1904, wie Will aus dem Geschichtsunterricht wusste.
    Vor den Jungen erstreckte sich ein langer Tresen, auf dem der Polizist die Rucksäcke und Wills Spaten

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