Tunnel - 01 - Das Licht der Finsternis
Fellbüschel, die aus der faltig herabhängenden Haut ragten.
»Hund? Das ist Bartleby – ein Kater, aus der Rasse der Rexkatzen. Ein ausgezeichneter Jäger.«
Erstaunt musterte Will das Tier erneut. Ein Kater? Das Tier, dessen breiter Brustkorb sich mit der regelmäßigen Atmung langsam hob und senkte, besaß die Größe eines wohl genährten, ungepflegten Dobermanns und hatte nichts Katzenartiges an sich. Als Will sich über den Kater beugte, um ihn eingehender betrachten zu können, schnarchte er laut, und seine riesigen Pfoten zuckten im Schlaf.
»Vorsicht, er zerkratzt dir sonst das Gesicht …«
Will wirbelte herum und entdeckte eine alte Frau in einem der beiden großen Ledersessel, die den Kamin flankierten. Sie hatte tief in den Polstern gelehnt, sodass er sie beim Betreten des Raumes nicht bemerkt hatte.
»Ich hatte nicht vor, ihn anzufassen«, verteidigte er sich und richtete sich auf.
Die hellgrauen Augen der alten Dame funkelten vergnügt und schauten Will unverwandt an.
»Man braucht ihn auch gar nicht erst zu berühren«, sagte sie. »Er reagiert sehr instinktiv, unser Bartleby.« Ihr Gesicht nahm einen zärtlichen Ausdruck an, während sie das überdimensionierte Tier betrachtete, das sich im Schlaf wohlig räkelte.
»Großmutter, das ist Will«, sagte Cal.
Erneut musterte die alte Dame den Jungen mit wissendem Blick und nickte. »Dessen bin ich mir sehr wohl bewusst. Er ist ein Macaulay, vom Scheitel bis zur Sohle, und er hat die Augen seiner Mutter. Daran besteht kein Zweifel. Hallo, Will.«
Will war wie erstarrt; ihre sanfte Art und das leuchtende Funkeln in ihren alten Augen machten ihn sprachlos. Es schien, als wäre tief in seinem Inneren eine vage Erinnerung aufgetaucht, so wie eine verlöschende Glut von einer leichten Brise wieder angefacht wird. In der Gegenwart dieser alten Dame fühlte er sich sofort wohl. Aber wieso? Normalerweise war er bei einer Begegnung mit Fremden von Natur aus eher misstrauisch, und gerade hier unten, an diesem äußerst merkwürdigen Ort, konnte er es sich nicht erlauben, seinen Argwohn aufzugeben. Er hatte beschlossen, diese Leute gewähren zu lassen, ihr Spiel mitzuspielen, aber er hatte nicht vor, auch nur irgendeinem von ihnen zu trauen. Doch bei dieser alten Frau war es etwas anderes – es schien fast, als würde er sie kennen …
»Komm, setz dich zu mir. Ich bin sicher, du hast viele faszinierende Geschichten von deinem Leben dort oben zu erzählen.« Sie schaute kurz zur Decke hinauf. »Caleb, mach uns einen Tee und hol auch etwas Backwerk aus der Speisekammer. Will wird mir inzwischen alles über sich erzählen«, sagte sie und deutete mit der kleinen, aber kräftigen Hand einer Frau, die ein Leben lang hart gearbeitet hatte, auf den anderen Ledersessel.
Will hockte sich auf den Rand des Sessels; das knisternde Feuer wärmte und entspannte ihn. Obwohl er es sich nicht erklären konnte, hatte er das Gefühl, als wäre er endlich an einem sicheren Ort angekommen, einer Art Zufluchtsstätte.
Die alte Dame sah ihn aufmerksam an, und er schaute unbefangen zurück; das warme Interesse, mit dem sie ihn betrachtete, war so beruhigend wie das Feuer im Kamin. Für einen Moment waren alle Schrecken und Schicksalsprüfungen der vergangenen Tage wie weggeblasen. Will seufzte, lehnte sich zurück und musterte sie mit wachsender Neugier.
Sie hatte feines schlohweißes Haar, das zu einem kunstvollen Knoten gebunden war und von einer Schildpattspange gehalten wurde. Und sie trug ein schlichtes blaues Kleid mit langem Arm und einer weißen, hoch schließenden Halskrause.
»Warum kommt es mir so vor, als ob wir uns kennen würden?«, fragte Will plötzlich. Er hatte das Gefühl, dass er dieser vollkommen Fremden alles sagen konnte, was ihm gerade durch den Kopf ging.
»Weil wir uns tatsächlich kennen«, erwiderte sie lächelnd. »Ich habe dich als Baby im Arm gehalten, dir Wiegenlieder gesungen.«
Will öffnete den Mund, um zu widersprechen. Schließlich konnte das, was sie sagte, nicht stimmen. Doch dann besann er sich und runzelte die Stirn. Erneut stieg aus den Tiefen seines Gedächtnisses ein Funke der Erinnerung auf. Es schien, als spürte er mit jeder Faser seines Körpers, dass sie die Wahrheit sagte. Die alte Dame hatte etwas unglaublich Vertrautes an sich. Plötzlich schnürte es ihm die Kehle zu, und er musste mehrmals schlucken, um seine Gefühle wieder in den Griff zu bekommen. Die alte Frau sah, wie ihm die Tränen in die Augen
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