Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tunnel - 01 - Das Licht der Finsternis

Tunnel - 01 - Das Licht der Finsternis

Titel: Tunnel - 01 - Das Licht der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Roderick & Williams Gordon
Vom Netzwerk:
zu ihr hinüber. »Du hast noch nie die Sonne gesehen?«
    »Das haben hier unten nur sehr wenige«, sagte Cal, der gerade in den Salon zurückkam. Er ließ sich zu Füßen seiner Großmutter auf dem Kaminvorleger nieder. Sanft massierte er die faltige und ziemlich räudige Haut unter dem Kinn des Katers, woraufhin sofort ein lautes, dröhnendes Schnurren den Raum erfüllte.
    »Erzähl uns von Übergrund, Will, erzähl uns, wie es dort ist«, sagte Großmutter Macaulay und legte Cal eine Hand auf den Scheitel, als dieser seinen Kopf gegen die Sessellehne sinken ließ.
    Also begann Will zu erzählen, zunächst ein wenig zögernd, doch dann sprudelten die Worte nur so aus ihm hervor, wie ein Sturzbach auf dem Weg ins Tal. Es verwunderte ihn, wie leicht es ihm fiel, von seinem Leben zu erzählen, und wie vollkommen normal es sich anfühlte, mit diesen Menschen zu reden, die er doch erst so kurze Zeit kannte. Er erzählte ihnen von seiner Familie und von der Schule, erfreute sie mit Anekdoten über die Ausgrabungen seines Vaters – oder eher des Mannes, den er bis dahin für seinen Vater gehalten hatte – und mit Geschichten über seine Mutter und seine Schwester.
    »Du liebst deine Übergrundler-Familie sehr, nicht wahr?«, sagte Großmutter Macaulay, und Will konnte darauf nur schweigend nicken. Er wusste, dass nichts von alldem hier etwas an seinen Gefühlen für seinen Vater ändern würde – auch nicht die Erkenntnis, dass er hier unten vielleicht eine richtige Familie hatte. Und ganz egal, wie schwer Rebecca ihm das Leben gemacht haben mochte, er musste sich eingestehen, dass er sie schrecklich vermisste. Er hatte furchtbare Gewissensbisse bei dem Gedanken, dass sie vor Sorge um ihn wahrscheinlich schon halb durchgedreht sein musste. Ihre kleine, wohlgeordnete Welt würde in tausend Stücke zerbrechen. Will schluckte heftig. Es tut mir leid, Rebecca, ich hätte dich informieren sollen, ich hätte dir eine Nachricht hinterlassen müssen! Er fragte sich, ob sie wohl nach seinem Verschwinden die Polizei verständigt und damit die gleiche fruchtlose Prozedur in Gang gesetzt hatte wie bei ihrer gemeinsamen Suche nach Dr. Burrows. Doch all das verblasste beim Gedanken an das Bild, das er plötzlich vor Augen hatte: Chester, der noch immer allein und einsam in diesem grässlichen Kerker hockte.
    »Was passiert mit meinem Freund?«, platzte er heraus.
    Großmutter Macaulay gab keine Antwort und starrte nachdenklich ins Feuer, aber Cal reagierte sofort.
    »Sie werden ihn nie wieder nach Hause lassen … und dich auch nicht.«
    »Aber warum nicht?«, fragte Will. »Wir versprechen auch, dass wir nichts sagen werden … von alldem hier.«
    Es entstand eine betretene Stille; dann räusperte Großmutter Macaulay sich leise.
    »Die Styx werden darauf nicht eingehen«, sagte sie. »Sie können nicht zulassen, dass irgendjemand den Übergrundlern von uns erzählt. Denn das könnte die Entdeckung nach sich ziehen.«
    »Die Entdeckung?«
    »Ja, das ist das, was man uns im Buch der Katastrophen gelehrt hat. Es bedeutet das Ende aller Dinge, wenn das Volk entdeckt, in die Hände jener dort oben gelangt und untergehen wird«, sagte Cal mit ausdrucksloser Stimme, als zitiere er einen Vers.
    »Das möge Gott verhüten«, murmelte die alte Dame, wandte den Blick ab und starrte erneut in die Flammen.
    »Und was werden sie mit Chester machen?«, fragte Will, obwohl er die Antwort fürchtete.
    »Entweder wird er zu Zwangsarbeit verurteilt oder man schickt ihn in die Verbannung … mit einem Zug hinab in die Tiefen, wo er sich dann allein durchschlagen muss«, erwiderte Cal.
    Will wollte gerade fragen, was die Tiefen seien, als in der Eingangshalle die Haustür mit einem Knall aufflog. Das Feuer flackerte auf und erzeugte einen Funkenregen, der im nächsten Moment hinauf in den Kamin gesogen wurde. Großmutter Macaulay warf einen Blick um die Sessellehne herum und lächelte, während Cal und Bartleby gleichzeitig aufsprangen. Eine kräftige Männerstimme rief: »HALLO, JEMAND ZU HAUSE?«
    Noch etwas schlaftrunken taumelte der Kater seitlich gegen einen Beistelltisch, der im gleichen Moment umstürzte, als die Tür zum Salon mit Schwung aufgerissen wurde. Ein riesiger, stämmiger Mann platzte in den Raum wie ein Donnerhall; sein hellhäutiges, aber rotbackiges Gesicht strahlte vor unverhohlener Freude.
    »WO IST ER? WO IST ER?«, rief er und sah sich begeistert nach Will um, der sich besorgt aus seinem Sessel erhob und nicht recht wusste,

Weitere Kostenlose Bücher