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Tunnel - 01 - Das Licht der Finsternis

Tunnel - 01 - Das Licht der Finsternis

Titel: Tunnel - 01 - Das Licht der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Roderick & Williams Gordon
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direkten Frage.
    »Komm schon, mir kannst du es doch erzählen. Du wirst fliehen, oder? Ich weiß es einfach!« Cal zitterte förmlich vor Aufregung, während er auf Wills Antwort wartete.
    »Du meinst, zurück nach Highfield?«
    Cal nickte eifrig.
    »Vielleicht … vielleicht aber auch nicht. Ich weiß es noch nicht«, erwiderte Will vorsichtig. Trotz seiner Gefühle für seine neu gefundene Familie wollte er vorerst kein Risiko eingehen. Denn eine leise Stimme in seinem Kopf warnte ihn noch immer, dass auch dies nur Teil eines kunstvollen Plans sein könnte, um ihm eine Falle zu stellen und ihn für immer hier unten zu halten. Und dass sogar dieser Junge, der behauptete, sein Bruder zu sein, in Wahrheit für die Styx arbeiten könnte. Will war noch nicht bereit, ihm zu vertrauen, jedenfalls nicht bedingungslos.
    Cal sah Will nun direkt an.
    »Also, falls du beschließt abzuhauen, dann komme ich mit.« Er lächelte, aber der Ausdruck in seinen Augen zeigte, dass es ihm todernst war. Will wurde von diesem Vorschlag dermaßen überrumpelt, dass er nicht wusste, was er sagen sollte. Glücklicherweise blieb ihm eine Antwort erspart, da in diesem Moment irgendwo im Haus ein lauter Gong ertönte.
    »Das ist das Zeichen fürs Abendessen; Vater muss wohl wieder zu Hause sein. Komm.« Cal sprang auf, rannte zur Tür und lief die Treppe hinunter zum Esszimmer, dicht gefolgt von Will. Mr Jerome saß bereits am Kopf eines stark gemaserten Holztisches. Als die Jungen das Zimmer betraten, schaute er nicht auf, sondern hielt den Blick auf die Tischoberfläche fixiert.
    Das Esszimmer hätte sich von dem behaglich eingerichteten Salon, in dem Will wenige Stunden zuvor gesessen hatte, kaum stärker unterscheiden können. Dieser Raum wirkte spartanisch und war mit einfachen Holzmöbeln bestückt, die so aussahen, als wären sie schon seit Jahrhunderten in Gebrauch. Bei näherer Betrachtung stellte Will fest, dass der Tisch und die Stühle aus einem bunten Sammelsurium verschiedener Holzarten mit unterschiedlichsten Maserungen und Schattierungen gefertigt waren. Manche Teile waren mit Wachs oder Lack behandelt, andere rau und splittrig. Vor allem die Stühle mit den hohen Rückenlehnen wirkten vorsintflutlich und wackelig. Ihre dürren Beine knacksten und ächzten, als die Jungen ihre Plätze neben dem mürrisch dreinblickenden Mr Jerome einnahmen, der Will kaum eines Blickes würdigte. Will rutschte unruhig auf seinem Stuhl hin und her und versuchte, eine bequeme Sitzhaltung zu finden, während er sich fragte, wie die Stühle jemandem mit einer solch stattlichen Figur wie Mr Jerome aushielten, ohne zusammenzubrechen.
    Im nächsten Moment räusperte Mr Jerome sich laut, und dann beugten er und Cal sich wortlos, mit gefalteten Händen und geschlossenen Augen vor. Leicht verunsichert tat Will es ihnen nach.
    »Deine Sonne wird nicht mehr untergehen, noch dein Mond den Schein verlieren, denn der HERR wird dein ewiges Licht sein, und die Tage deines Leides sollen ein Ende haben«, dröhnte Mr Jerome.
    Will konnte es nicht lassen, den Mann unter halb geschlossenen Lidern zu betrachten. Er fand das Ganze ziemlich seltsam – bei ihm zu Hause wäre niemand auch nur auf die Idee gekommen, ein Tischgebet zu sprechen. Der einzige Ausspruch in seinem Elternhaus, der einem Gebet auch nur entfernt ähnelte, war der genervte Ausruf seiner Mutter: »Herrgott noch mal, seid endlich still!«
    »Wie oben, so unten«, beendete Mr Jerome seine Danksagung.
    »Amen«, sagten er und Cal daraufhin einstimmig, aber zu schnell für Will, um sich ihnen anzuschließen. Sie richteten sich auf, und Mr Jerome klopfte mit einem Löffel gegen das vor ihm stehende Trinkglas.
    Einen kurzen Moment lang herrschte betretene Stille, keiner sah den anderen an. Dann erschien ein Mann in einer Lederschürze mit langen, fettigen Haaren und watschelndem Gang. Sein Gesicht zeigte tiefe Falten, und seine Wangen wirkten ausgezehrt. Seine müden, teilnahmslosen Augen, die wie erlöschende Flammen in tiefen Höhlen lagen, ruhten kurz auf Will, ehe er rasch den Blick abwandte.
    Will, der beobachtete, wie der Mann zwischen Küche und Esszimmer hin- und herwatschelte und zu jedem von ihnen an den Tisch schlurfte, um das Essen zu servieren, kam zu dem Schluss, dass er großes Leid, möglicherweise eine schwere Krankheit durchlitten haben musste.
    Der erste Gang bestand aus einer dünnen Brühe. In dem aufsteigenden Dampf konnte Will eine würzige Note entdecken, als hätte man die heiße

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