Tunnel - 02 - Abgrund

Titel: Tunnel - 02 - Abgrund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Roderick & Williams Gordon

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Chester, die ihr beim Rudern gegenübersaßen, konnten ihre Umrisse nur vage erkennen. Sie warteten darauf, dass das Mädchen ihnen Anweisungen gab, doch es schien eine Ewigkeit zu dauern, bis sie etwas sagte.
    Plötzlich befahl sie ihnen innezuhalten, worauf Will und Chester die Ruder ruhen ließen. Allerdings glitt das Boot überraschend mühelos von allein weiter, als wäre es von einer kräftigen Strömung erfasst worden. Aber darauf achtete Will nicht, als er den Kopf über die Bordwand beugte. Wenn er sich nicht vollkommen täuschte, sah er tief unten im Wasser schemenhafte, schwach leuchtende Gestalten. In raschem Wechsel tauchten sie auf und verblassten dann wieder, und er konnte nicht eindeutig sagen, worum es sich dabei handelte. Manche waren klein und glitten rasch dahin, während andere, massigere Gestalten sich schwerfälliger bewegten und ein wesentlich stärkeres Licht abgaben.
    Während er wie gebannt hinabschaute, tauchte direkt unter der Wasseroberfläche der abgeflachte, etwa einen halben Meter breite Kopf eines mächtigen Fisches auf. Zwischen den großen Augen befand sich ein langer Fortsatz, an dessen Ende ein grünliches Licht pulsierte. Der Fisch riss sein Maul auf, wobei ein Schwall von Luftblasen herausquoll, schloss es wieder und tauchte unter. Will lief vor Aufregung ein Schauer über den Rücken: Das Tier sah aus wie ein Tiefsee-Anglerfisch, der die untersten Regionen der Übergrund-Meere bewohnte. Unter diesen Wellen musste sich ein ganzes Ökosystem verbergen, mit Lebewesen, die sich ihr eigenes Licht schufen!
    Genau wie der Fisch riss auch Will gerade den Mund auf, um Elliott und den anderen von seiner Entdeckung zu berichten, als ein leises Klatschen ihn abrupt schweigen ließ. Das Geräusch klang wie von einem Stein, der auf dem Wasser aufkam, etwa zwanzig Meter von der Backbordseite ihres Bootes entfernt.
    »Es geht los«, flüsterte Elliott geheimnisvoll.
    Will nahm sofort an, es müsse sich um einen weiteren der leuchtenden Fische handeln, der die Wasseroberfläche durchbrach. Doch als nur Sekundenbruchteile später in der Ferne ein Knall ertönte, verwarf er diesen Gedanken wieder. Weitere Klatscher und Knallgeräusche folgten, doch sie waren zu weit entfernt, als dass er hätte erkennen können, wodurch sie verursacht wurden.
    »Das wäre jetzt ein guter Zeitpunkt, das Licht auszuschalten«, meinte Elliott.
    »Wieso?«, fragte Chester in aller Unschuld. Er blinzelte noch immer in die Dunkelheit und versuchte herauszufinden, worum es sich bei den Klatschern handelte.
    »Weil die Grenzer den Strand erreicht haben.«
    »Sie schießen auf uns, du Blödmann«, sagte Cal laut. Will bemerkte, wie an der Steuerbordseite, keine fünf Meter entfernt, Wasser von der Meeresoberfläche aufspritzte.
    »Sie schießen auf uns?«, wiederholte Chester begriffsstutzig. »Oh Gott!«, rief er, als der Groschen gefallen war. Sofort beugte er sich vor und machte sich an der Lampe zu schaffen. »Ogottogottogott!«
    Nachdem er das Licht gelöscht hatte, setzte er sich auf und schaute zu Elliott. Er war sprachlos darüber, wie ruhig das Mädchen die ganze Sache aufnahm. Wieder wurde eine Salve auf sie abgefeuert, die das Wasser um sie herum aufspritzen ließ. Die Einschläge schienen ein wenig näher zu kommen, und Chester fuhr jedes Mal zusammen.
    »Wenn das wirklich Schüsse sind …«, setzte Will an.
    »Ganz sicher«, bestätigte Elliott.
    »… sollten wir dann nicht rudern wie die Verrückten?«, fragte Will und verstärkte bereitwillig den Griff um seinen Riemen.
    »Brauchen wir nicht. Wir sind außerhalb ihrer Reichweite … sie schießen bloß aufs Geratewohl.« Elliott erlaubte sich ein leises Lachen. »Wir müssen sie echt verärgert haben. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie uns treffen, steht eins zu einer Million.«
    In der völligen Dunkelheit hörte Will, wie Chester »Bei meinem Riesenglück …« vor sich hin murmelte. Dann zog er den Kopf schützend zwischen die Schultern und versuchte zugleich, an Elliotts regloser Gestalt vorbei einen Blick auf die Insel zu werfen.
    »Ich habe sie genau dort, wo ich sie haben wollte«, sagte sie leise.
    »Du hast sie genau dort, wo du sie haben wolltest?«, stieß Chester ungläubig hervor. »Hast du etwa …«
    »Zeitverzögerte Zündung«, unterbrach Elliott ihn. »Meine Spezialität.«
    Da der Ton ihrer Stimme den Jungen nichts verriet, warteten sie schweigend, nur umgeben von den Geräuschen des knarrenden Bootes, des plätschernden Wassers und