Tunnel - 02 - Abgrund
einiger vereinzelter Gewehrschüsse.
»Jetzt kann es jeden Moment losgehen«, sagte Elliott.
Einige Sekunden verstrichen.
Plötzlich erhellte ein riesiger Blitz den Inselabschnitt, von dem aus sie aufgebrochen waren. Aus der Ferne erschien den Jungen der Strand winzig klein. Dann erreichte sie das Geräusch der Explosion und ließ sie ruckartig hochfahren.
»Herr im Himmel!«, rief Cal, zog sein Bein von der Bordwand ins Boot und setzte sich auf.
»Nein, wartet …«, sagte Elliott und hob die Hand. Die Flammen in der Ferne ließen ihre Silhouette deutlich zum Vorschein treten. »Diejenigen, die das überlebt haben, werden wie der Teufel landeinwärts drängen, um vom Strand fortzukommen.« Leise begann sie zu zählen, wobei sie bei jeder Ziffer den Kopf ein klein wenig weiter neigte.
Die Jungen hielten den Atem an … Sie ahnten nicht, was als Nächstes kommen würde.
Dann erfolgte eine zweite Explosion, wesentlich stärker als die erste. Ein gewaltiger rotgelber Funkenregen stieg sprühend an die Höhlendecke, und die Flammen zuckten bis weit über die Gipfel der hohen Palmfarne. Will hatte den Eindruck, als wäre die ganze Insel in tausend Stücke gesprengt worden. Dieses Mal spürten sie alle die Wucht der Explosion im Gesicht, und Sekunden später regnete es um sie herum Trümmerteile auf das Wasser.
»Oh Mann!«, stieß Cal hervor.
»Wahnsinn!«, rief Chester. »Du hast die komplette Insel in die Luft gejagt!«
»Was zum Teufel war das?«, fragte Will und fragte sich, ob von der Tier- und Pflanzenwelt der Insel noch etwas übrig bleiben oder ob alles von den Flammen verschlungen werden würde. Er musste sich jedoch eingestehen, dass es ihn nicht allzu sehr beunruhigte, falls ein paar mickrigen Urhühnern die Schwanzfedern versengt wurden.
»Das war der perfekte Hinterhalt«, sagte Elliott. »Die erste Explosion muss sie direkt hineingetrieben haben. Damit ist der Fall erledigt.«
Während sie weiter zuschauten, hatte es den Anschein, als schwebten die Flammen über der Meeresoberfläche. Sie warfen lang gezogene Reflexionen auf die tintenschwarzen Wogen. Will erkannte zum ersten Mal die gewaltige Größe des Raums, in dem sie sich befanden: Die weit entfernte Küstenlinie zu seiner Rechten war schwach beleuchtet, doch weder zu seiner Linken noch in der Richtung, in die sie steuerten, war irgendetwas zu erkennen, kein Land, nichts.
Während das Dröhnen der Explosion in der gewaltigen Höhle nachhallte, regnete es in der Nähe des Bootes weiterhin teils brennende Trümmerteile, die mit einem zischenden Geräusch im Wasser versanken.
»Hast du die ganzen Sprengladungen verlegt?«, wandte Chester sich an Elliott.
»Drake und ich haben sie zusammen präpariert. Er nannte es seinen ›Partytrick‹, aber ich habe nie verstanden, was er damit meinte«, räumte Elliott ein. Dann drehte sie sich ruckartig von dem Schauspiel weg, wobei ihre Gesichtszüge in der undurchdringlichen Finsternis verborgen lagen und nur ihre Silhouette sich vom glühenden Hintergrund abhob. Wie zum Gebet neigte sie langsam den Kopf. »Er war so gutherzig … ein guter Mensch«, flüsterte sie kaum hörbar.
Will, Chester und Cal, die das Inferno auf der Insel betrachteten, brachten kein Wort hervor, da auch sie von Drakes Verlust tief berührt waren. Es schien, als wäre die brennende Insel ein Scheiterhaufen, ein passendes Abschiedsgeschenk für ihn.
Die erste Explosion riss Sarah aus ihrer Apathie. Als die zweite Sprengladung detonierte, war sie bereits auf den Beinen und rannte zum Ufer hinab, dicht gefolgt von Bartleby.
Die immense Wucht der Explosion ließ sie einen Pfiff ausstoßen. Sofort legte sie ihr Gewehr an, den Riemen fest um den Arm geschlungen, um die Waffe ruhig zu halten. Durch das Zielfernrohr betrachtete sie den glühenden Punkt, der über den Wellen winzig klein wirkte. Langsam schwenkte sie das Gewehr von der Insel weg und sondierte mit dem Zielfernrohr den Horizont über dem Wasser. Dank des Lichts, das vom Feuer auf der Insel ausgestrahlt wurde, arbeitete die lichtverstärkende Optik im Zielfernrohr äußerst effektiv. Dennoch dauerte es einige Minuten, bis Sarah etwas entdeckte. Um das Bild schärfer einzustellen justierte sie den Vergrößerungsregler des Fernrohrs.
»Ein Boot?«, fragte sie sich, während sie genauer hinsah und ihre Vermutung noch einmal kontrollierte. Ja, jetzt war sie sich ziemlich sicher: In weiter Ferne erkannte sie ein kleines Wasserfahrzeug. Wer sich darauf befand, konnte
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