Tunnel - 02 - Abgrund
marschierten zurück in eine der Hütten und warfen die Tür hinter sich zu.
»Okay! Auf geht’s!«, sagte Cal, wobei er nur Will ansah und Chester bewusst ignorierte.
»Hör endlich auf damit«, knurrte Will. »Wir gehen erst, wenn wir das gemeinsam beschlossen haben. Das betrifft uns schließlich alle.«
Cal setzte zu einer Antwort an und verzog verächtlich die Lippen.
Doch Will ließ sich nicht unterbrechen. »Das hier ist keines deiner verdammten Spielchen, Herrgott noch mal«, fauchte er.
Sein jüngerer Bruder schnaufte beleidigt, verzichtete aber darauf, Will noch mehr zu provozieren. Stattdessen wandte er sich Chester zu und starrte ihn finster an.
»Du … du Übergrundler!«, zischte er.
Chester schaute ihn völlig ratlos an, zog eine Augenbraue hoch und drehte sich achselzuckend zu Will um.
Und so warteten die Jungen im Schutz der Lokomotive, wobei Will und Chester die Front des Bahnhofsgebäudes sorgfältig im Auge behielten und Cal kleine Bilder in den Staub zeichnete, die eine bemerkenswerte Ähnlichkeit mit Chester besaßen – vierschrötige Körper mit quadratischen Schädeln. Hin und wieder lachte er hämisch in sich hinein und wischte die Zeichnungen fort, nur um sofort mit der nächsten zu beginnen.
Als sich die Eisenbahner nach etwa fünf Minuten nicht wieder hatten blicken lassen, wandte Will sich leise an seinen Freund: »Okay, ich schätze, sie haben sich’s gemütlich gemacht. Ich schlage vor, dass wir jetzt sofort aufbrechen. Zufrieden, Chester?«
Chester nickte zwar, wirkte aber alles andere als zufrieden.
»Na endlich«, schnaufte Cal, sprang auf die Beine und rieb sich den Staub von den Händen. Eine Sekunde später stand er im gleißenden Licht der Lampen auf der offenen Strecke und marschierte großspurig zu der Nische in der Höhlenwand.
»Was hat er eigentlich für ein Problem?«, fragte Chester. »Der sorgt noch dafür, dass wir alle getötet werden.«
Als auch Will und Chester die dunkle Nische erreicht hatten, schlüpften die Jungen zwischen den Rampen hindurch und entdeckten, dass sich dahinter tatsächlich ein Durchgang befand, ein beträchtlicher Spalt im Gestein. Cal hatte mit seiner Vermutung richtig gelegen und ließ nun keine Gelegenheit aus, nachdrücklich darauf hinzuweisen.
»Ich hatte r …«, setzte er an.
»Ja, ich weiß, ich weiß«, unterbrach Will ihn. »Dieses eine Mal hast du recht gehabt.«
»Was ist das?«, fragte Chester, als er eine Reihe von Baukörpern entdeckte, nachdem sie einen neuen Tunnelabschnitt betreten hatten.
Manche der an einer Seite des Tunnels aufgereihten und mit großen Mengen Silt bedeckten Konstruktionen erinnerten an riesige Würfel, während andere fast kreisrund waren. Um sie herum lagen seltsame Metallstücke und Geröll. Die Jungen gingen auf einen der Baukörper zu, der aus der Nähe betrachtet aussah wie eine gigantische Bienenwabe aus grauen Ziegelsteinen. Als Will durch den Silt watete, stieß sein Fuß gegen irgendetwas, das unter der Schicht aus Feinsand lag. Abrupt blieb er stehen und hob den Gegenstand hoch: Er war etwa so groß wie seine Hand und hart und flach, mit abgerundeten Kanten.
»Da unten müsste eine Luke sein«, sagte Cal und schob sich an seinem Bruder vorbei. Entschlossen fegte er die Siltschicht am Fuß der Konstruktion beiseite. Und tatsächlich befand sich im unteren Teil eine kleine, etwa einen halben Meter breite Tür, die laut in den trockenen Angeln quietschte, als Cal sich bückte und sie einen Spalt aufzog. Dunkle Asche rieselte heraus.
»Woher hast du das gewusst?«, fragte Will.
Cal richtete sich wieder auf, nahm seinem Bruder den Gegenstand aus der Hand und schlug ihn kräftig gegen die abgerundete Oberfläche der Konstruktion. Das Objekt erzeugte einen leisen, aber leicht glasigen Ton, und mehrere Bruchstücke splitterten ab. »Das ist Schlacke.« Er stieß mit dem Fuß gegen einen Haufen Geröll, der in alle Richtungen spritze. »Und ich wette, unter diesem ganzen Abfall befinden sich auch ein paar Brocken Kohle.«
»Und das bedeutet?«, fragte Chester.
»Das bedeutet, dass dies hier Schmelzöfen sind«, erwiderte Cal voller Überzeugung.
»Wirklich?«, fragte Will und bückte sich, um einen Blick durch die Luke zu werfen.
»Ja. Ich hab solche Schmelzöfen schon mal gesehen, in den Gießereien in der Südkaverne.« Cal hob das Kinn und musterte Chester trotzig, als hätte er damit seine Überlegenheit bewiesen. »Die Koprolithen müssen hier Roheisen geschmolzen
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