Tunnel - 02 - Abgrund
…«
»Dann kommen Sie also nicht wegen der Heimgebühr?«, warf Mrs Burrows ein, ließ sich wieder auf ihren Stuhl sinken und schlug die Beine übereinander. »Soweit ich weiß, zahlt meine Krankenversicherung einen Aufschlag auf den vom Amt überwiesenen Betrag. Und wenn die Versicherung ausläuft, müsste das Geld aus dem Verkauf meines Hauses die Differenz begleichen.« ■
»Da haben Sie sicher recht, aber das ist gar nicht mein Zuständigkeitsbereich«, erklärte Sarah mit einem weiteren flüchtigen Lächeln. Sie öffnete den Ordner, holte einen Notizblock hervor und wollte gerade die Kappe von ihrem Kugelschreiber abnehmen, als ihr Blick auf ein Gemälde mit einem kaffeebraunen Teddybär an der Wand oberhalb von Mrs Burrows fiel. Sorgfältig gemalte Würfel in leuchtenden Farben und mit unterschiedlichen Zahlen umkreisten den Bären. Sarah schüttelte den Kopf und richtete ihre Aufmerksamkeit wieder auf Mrs Burrows, den Stift über dem leeren Blatt Papier gezückt.
»Also, erzählen Sie doch mal: Wann wurden Sie hier eingeliefert, Celia? Ich darf doch Celia sagen?«
»Sicher, von mir aus. Das war im November letzten Jahres.«
»Und wie kommen Sie hier zurecht?«, fragte Sarah und tat so, als würde sie sich Notizen machen.
»Sehr gut, vielen Dank«, sagte Mrs Burrows, fügte dann jedoch rechtfertigend hinzu: »Aber ich habe noch einen weiten Weg vor mir, nach meinem … äh … meinem Trauma. Ich werde wohl noch eine ganze Weile hierbleiben müssen … ich brauche Ruhe, viel Ruhe.«
»Ja«, pflichtete Sarah ihr unverbindlich bei. »Und was ist mit Ihrer Familie? Irgendwelche Neuigkeiten?«
»Nein, nichts. Die Polizei sagt, dass man das Verschwinden meines Mannes und meines Sohnes noch immer untersuchen würde, aber wenn Sie mich fragen, ist das ein ziemlich nutzloser Haufen.«
»Die Polizei?«
Mrs Burrows nickte und redete dann in einem monotonen und trostlosen Tonfall weiter: »Die hatten sogar die Frechheit, mich gestern hier aufzusuchen. Bestimmt haben Sie mitbekommen, was vor ein paar Tagen passiert ist … der Vorfall in meinem Garten?« Träge schaute sie zu Sarah.
»Ja, ich habe davon gelesen«, sagte Sarah. »Ziemlich schlimme Geschichte.«
»Oh ja, das stimmt. Zwei Polizisten auf Streife haben eine ganze Bande vor meinem Haus überrascht, woraufhin es zu einem schrecklichen Kampf gekommen ist. Beide Beamte wurden übel zugerichtet, und auf einen haben sie sogar einen Hund gehetzt.« Sie hüstelte und zog ein schmutziges Taschentuch aus dem Ärmel ihres Morgenmantels. »Ich schätze, das waren diese verdammten Zigeuner. Die sind schlimmer als Tiere!«, verkündete Mrs Burrows empört.
Wenn du wüsstest! ,dachte Sarah und schüttelte den Kopf, um Mrs Burrows zu verstehen zu geben, dass sie völlig mit ihr übereinstimmte. Gleichzeitig ging ihr wieder das Bild des Polizisten durch den Kopf, den sie bewusstlos auf der Terrasse zurückgelassen hatte.
Mrs Burrows schnäuzte sich geräuschvoll und steckte das Taschentuch wieder in ihren Ärmel. »Ich weiß wirklich nicht, wohin das in diesem Land noch mal führen soll. Na jedenfalls haben sie sich diesmal das falsche Haus ausgesucht. Da ist nichts mehr, was man hätte klauen können … alles eingelagert, denn das Haus steht zum Verkauf.«
Sarah schüttelte erneut den Kopf, während Mrs Burrows fortfuhr.
»Aber die Polizei ist auch nicht viel besser. Die geben keine Ruhe. Meine Beraterin versucht, sie davon abzuhalten, mich dauernd aufzusuchen, aber die Beamten bestehen darauf, mich wieder und wieder zu befragen. Die tun gerade so, als hätte ich an allem Schuld … dass meine Familie verschwunden ist … sogar der Angriff auf die beiden Polizisten … Als ob ich irgendetwas damit zu tun haben könnte! Schließlich stehe ich hier unter ständiger Überwachung, vierundzwanzig Stunden rund um die Uhr, Herrgott noch mal!« Sie setzte sich gerade, rutschte auf ihrem Sitz hin und her und schlug die Beine dann erneut übereinander. »Dabei bin ich hier, um endlich zur Ruhe zu kommen! Die ganze Geschichte ist gar nicht gut für mich … gar nicht gut.«
»Jaja, das verstehe ich«, pflichtete Sarah ihr rasch bei. »Sie haben schon genug durchgemacht.«
Mrs Burrows nickte abwesend und hob dann den Kopf, um aus dem Fenster zu schauen.
»Aber die Polizei hat die Suche nach Ihrem Mann und Ihrem Sohn doch noch nicht eingestellt, oder?«, hakte Sarah leise nach. »Gibt es irgendwelche Neuigkeiten über die beiden?«
»Nein. Anscheinend hat niemand
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