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Tunnel - 02 - Abgrund

Tunnel - 02 - Abgrund

Titel: Tunnel - 02 - Abgrund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Roderick & Williams Gordon
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weinerlichen und mutlosen Ton, gefolgt von einem kleinen Seufzer.
    »Das überrascht mich nicht. Schließlich ist es nicht sehr gesund, den ganzen Tag im Haus zu hocken. Sie sollten mal an die frische Luft gehen! Wie wär’s mit einem kleinen Spaziergang im Park, sobald Ihr Besuch wieder fort ist?«
    Plötzlich hielt die Oberschwester inne, wandte sich wieder dem Fenster zu und starrte hinunter in den Garten, als würde sie etwas suchen. Sofort war Mrs Burrows’ Aufmerksamkeit geweckt. Die Schwester verbrachte den ganzen Tag damit, unermüdlich zu planen und zu organisieren, als wäre es ihre Lebensaufgabe, einer unvollkommenen Welt eine Art Ordnung überzustülpen. Wie ein menschlicher Dynamo stand sie nicht eine Minute still – im Grunde war sie das komplette Gegenteil von Mrs Burrows, die ihren Kampf mit dem letzten widerspenstigen Hausschuh nun einen Moment unterbrach, um die völlig reglos dastehende Oberschwester zu beobachten.
    »Irgendwas nicht in Ordnung?«, fragte Mrs Burrows, die sich nicht länger zurückhalten konnte.
    »Ach, nichts Besonderes … es ist nur so, dass Mrs Perkiss schwört, sie hätte diesen Mann wiedergesehen. Sie war ziemlich außer sich, die Gute.«
    »Hm.« Mrs Burrows nickte verständnisvoll. »Und wann war das?«
    »Heute Morgen, direkt nach dem Aufstehen.« Die Oberschwester drehte sich wieder um. »Ich verstehe das nicht. Sie schien solch gute Fortschritte zu machen und jetzt das! Plötzlich fangen diese merkwürdigen Geschichten an.« Stirnrunzelnd betrachtete sie Mrs Burrows. »Ihr Zimmer liegt doch direkt unter dem von Mrs Perkiss … Sie haben da draußen nicht zufällig jemanden gesehen?«
    »Nein, und das ist auch nicht sehr wahrscheinlich.«
    »Warum nicht?«, fragte die Oberschwester.
    »Das ist doch wohl offensichtlich, oder?«, erwiderte Mrs Burrows unverblümt, während es ihr gleichzeitig gelang, endlich den Fuß in den rebellischen Pantoffel zu schieben. »Dieser Mann, den sie sieht, ist die Person, die wir alle fürchten, tief in unserem Inneren … der letzte Vorhang … die ewige Ruhe … oder wie auch immer man es nennen will. Das Damoklesschwert hängt schon so lange drohend über ihr … die arme alte Schachtel.«
    »Sie meinen …«, setzte die Oberschwester an, als ihr dämmerte, worauf Mrs Burrows anspielte. Doch dann stieß sie nur ein leises »Pah« aus, um ihre Meinung zu dieser Theorie zum Ausdruck zu bringen.
    Aber Mrs Burrows ließ sich durch die Reaktion der Schwester nicht irritieren. »Merken Sie sich meine Worte. Genau so wird es kommen«, sagte sie inbrünstig, während ihr Blick wieder zum stumm geschalteten Fernsehbildschirm wanderte – schließlich würde ihr Lieblingsquiz jeden Moment beginnen.
    Die Oberschwester schnaubte skeptisch.
    »Seit wann ist der Tod ein Mann mit schwarzem Hut?«, konterte sie, kehrte zu ihrer üblichen Betriebsamkeit zurück und warf einen Blick auf die Uhr. »Oh, schon so spät? Ich muss unbedingt weiter.« Sie musterte Mrs Burrows mit strenger Miene. »Lassen Sie Ihren Besuch nicht zu lange warten, und danach möchte ich, dass Sie einen tüchtigen Spaziergang durch den Park machen.«
    »Natürlich«, stimmte Mrs Burrows ihr zu und nickte eifrig; doch tief in ihrem Inneren war ihr der Gedanke an Bewegung zutiefst suspekt. Sie hatte nicht die Absicht, einen »tüchtigen Spaziergang« zu machen, würde aber einen Riesenwirbel veranstalten, sich entsprechend anziehen, dann eine kleine Runde um das Haus drehen und schließlich in der Küche verschwinden, wo sie sich eine Weile außer Sicht halten wollte. Mit etwas Glück würde ihr der Koch sogar eine Tasse Tee und ein Puddingteilchen reichen.
    »Wunderbar«, sagte die Oberschwester und warf einen prüfenden Blick durch den Raum, ob sonst alles in Ordnung war.
    Mrs Burrows schenkte ihr ein zuckersüßes Lächeln. Schon bald nach ihrer Ankunft im Pflegeheim hatte sie etwas Entscheidendes herausgefunden: Solange sie zum Schein auf die Vorschläge der Oberschwester und ihrer Mitarbeiter einging, bekam sie ihren Willen – jedenfalls meistens, zumal sie im Vergleich zu vielen anderen Patienten kaum Ärger bereitete.
    Ihre Mitpatienten waren ein bunt zusammengewürfelter Haufen, den Mrs Burrows ausnahmslos für unter ihrer Würde hielt. Da waren zunächst einmal die Greiner, wie sie sie nannte: ein ganzer Haufen von Miesepetern, die – sich selbst überlassen – wie einsame, verlassene Herumstreuner im gesamten Gebäude umherwanderten und dann vorzugsweise in irgendeiner

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