Turils Reise
mehr die Mühe, ihre Spuren zu verwischen. Sie benahm sich so, als hätte sie dieses schmutzige Spiel längst gewonnen und könnte ihren Triumph offen zur Schau stellen. Aber er war nicht bereit, seine Niederlage hinzunehmen, noch lange nicht! Er entstammte einem uralten Geschlecht, und er war einer der wenigen, die noch wussten, in welcher Beziehung die Totengräber und die Schiffssphären zueinander standen. Sie durften die Kontrolle über die GELFAR und ihre Schwestern unter keinen Umständen verlieren …
»Wir nehmen uns eine Auszeit«, sagte Pschoim leise, »so, wie es in den Statuten unseres Volkes festgeschrieben ist. Die GELFAR benötigt ohnehin eine Generalsanierung. Im Friedenshof Grau wird man sich um sie kümmern. Das Gremium wird uns den Anspruch auf die üblichen drei Jahre Eheurlaub nicht verwehren. Wir suchen uns einen netten
Planeten, fernab von allen Geschäften, und hoffen auf die Natur. Womöglich schafft sie Dinge, die die moderne Medizin nicht zustande bringt.«
»Das ist lächerlich!«, protestierte Kakari. »Was soll ich auf irgendeiner hinterwäldlerischen Welt? Erwartest du von mir, dass ich eine von Viren und Bakterien geschwängerte Luft atme, dass ich mich mit Tieren und fremdartigen Intelligenzwesen abgebe?«
»Immerhin kommst du recht gut mit den Kreavataren der GELFAR zurecht.«
»Weil sie bloß energetische Imprints sind, die nicht riechen, die nicht laut werden, und die ich abschalten kann, wann immer mir danach ist!«
»Du wirst mir gehorchen, Kakari! Wir dürfen nichts unversucht lassen. Wer weiß, ob nicht ein … Wunder geschieht.«
Seine Frau schwieg lange, um dann zu sagen: »Ich gehorche dir, weil du mich meinem Elternhaus abgekauft hast, und ich werde dir immer zur Verfügung stehen. Aber erwarte nicht, dass ich dir in irgendeiner Hinsicht entgegenkommen werde.«
»Damit kann ich leben«, sagte Pschoim schweren Herzens. Seine Frau hatte keine Ahnung, wie sehr er sich nach ihrer Anerkennung sehnte und welches Opfer er auf sich nahm, indem er mit ihr brach. Doch das Volk und sein Weiterbestehen waren weitaus wichtiger als das Glück eines Paares.
Die Flucht in den dreijährigen Eheurlaub war ihre letzte Chance. Die GELFAR kannte die Gesetzesgrundlagen der Thanatologen nur zu gut und wusste, dass sie nichts dagegen unternehmen konnte. Sie würde, am Friedenshof Grau angedockt, darauf warten, dass Kakari und er zurückkehrten
und ihre Niederlage eingestanden. Dann erst konnte sie Pschoims Abberufung fordern und dafür sorgen, dass das labile, vor langer Zeit festgeschriebene Gleichgewicht zwischen Totengräbern und Schiffssphären wieder ein Stückchen zu ihren Gunsten verrückt wurde. Für die GELFAR war ein Jahr nicht mehr als ein Tag, wie Pschoim wusste. Sie konnte und sie würde warten. Umso lieber, da der Friedenshof so etwas wie ihre Muttereinheit darstellte.
42 Jahre zuvor
Pschoim wählte die Welt Habercain für den Eheurlaub, und seine Frau gehorchte ihm. Sie ließen alles zurück, das an die GELFAR erinnerte; das Gremium im Friedenshof Grau stellte ihnen eine Transportgondel zur Verfügung.
Auf Habercain bezogen sie in der Lavaburg Gracht Quartier, die in einem Feuerozean namens Eybenyu dahintrieb. Der winzige Kontinent würde ihnen währen der nächsten drei Jahre als Heimstatt dienen.
Die Hitze war freilich gewöhnungsbedürftig, und zum Leidwesen Kakaris mussten sie sich mit den einfachen Lebensumständen arrangieren. Doch nach Pschoims Geschmack entschädigte die Vielfalt der Natur für alle Entbehrungen, die sie auf sich nahmen.
Die klimatischen Bedingungen erforderten von den Bewohnern Habercains eine ungewöhnliche Anpassungsfähigkeit und bildeten die Grundlage für Mutationen. Das Leben musste alle paar Jahrzehnte neu gestaltet werden. Die Xalifen, metergroße Geschöpfe mit acht Beinen, Spinnen nicht unähnlich, würden allem Anschein nach während der nächsten zehn Jahre eine solche Mutation auf sich nehmen
müssen, wollten sie die zu erwartende planetare Erkaltungsphase überstehen. Wie sie dann leben und wie sie aussehen würden - nun, das konnte niemand beantworten, und am wenigsten sie selbst.
»Warum kämpft ihr gegen diese Humanes, diese Loga-Wanica?«, fragte Pschoim den regierenden Mafati der Lavaburg Gracht.
»Sie zwangen uns einen Krieg auf, den wir nicht wollten«, schnaufte der Spinnenähnliche. Er hieb mit dem Stachel seines Hinterkörpers in den Boden, gut und gern einen Meter tief, und sog den für ihn so lebenswichtigen
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