Turils Reise
weiter um die Xalifen, die sich auf den Wegen und Straßen zusammenballten, regelrechte Knäuel bildeten und mittels Berührungen an den dafür empfänglichen Körperstellen Informationen austauschten. Als das Chaos zu groß wurde, igelte er sich in der Wohnhöhle ein, und als er das Klopfen und Treten gegen das Eingangstor nicht mehr überhören konnte, setzten er und Kakari geräuschmindernde Schutzmützen auf.
Vergebens. Die Xalifen rammten die Stacheln ihrer Hinterkörper ins Basaltgestein des Tores, räumten mit ihren zähen Leibern die Trümmer beiseite und drangen in den Wohnraum vor, mit drohenden, weit erhobenen Magenfühlern...
»Lasst uns in Ruhe!«, rief Pschoim. Er fühlte keine Angst. Er hielt das Kautium griffbereit, und auch seine Waffe. Binnen weniger Sekunden konnte er seine Frau und sich in die Sicherheit der Transportgondel schaffen, die in einem stationären Orbit schwebte.
»Das können wir nicht«, sagte ein Teil des Körperknäuels und löste sich aus dem Verbund. Er entpuppte sich als Drira Tongon, gut an den von vielen Ringen geschmückten Stehund Gehbeinen erkennbar. In einer Geste der Demut verbeugte sich der Xalife. »Wir benötigen deine Hilfe. Sofort.«
Erleichtert löste Pschoim den Griff von seinem Waffenstab.
Er mochte die Xalifen wegen ihrer ehrlichen und dennoch umgänglichen Art. Nur ungern hätte er sich gegen sie gestellt. »Ihr wollt mir einen Auftrag erteilen?«, fragte er.
»Nein.« Drira Tongon öffnete eine Blase an seinem buntfarbenen Körpergürtel; ein Daten-Ei flutschte zu Boden, zerbrach und das darin befindliche energetische Geflitter entfaltete sich zur dreidimensionalen Aufnahme eines riesigen Objekts. »Wir bitten dich, uns zu helfen. Du bist unser Gast; es wäre unhöflich von dir, würdest du uns diese Bitte abschlagen oder gar Geld verlangen.«
»Ich verstehe.« Bei näherer Betrachtung forderte der Xalife also seinen Teil eines Tauschgeschäfts ein. Mit diesem Gedanken konnte Pschoim leben, auch wenn er nicht hundertprozentig dem merkantilen Denken seines Volkes entsprach. »Was braucht ihr von mir?«
»Dieses Schiff ist gestern im Feuerozean Eybenyu notgelandet. Es treibt nun auf die Küste Grachts zu, und es antwortet nicht auf unsere Rufe. Als sich unser Sicherheitstrupp an Bord eines gut geschützten Küstentreiblings näherte, eröffnete die Besatzung des fremden Schiffes das Feuer und tötete meine Landsleute. Ein ganzes Oktat kam ums Leben …«
Die in dem Knäuel verbliebenen Xalifen, die der Unterhaltung gespannt folgten, rieben ihre Körper entsetzt und verstört aneinander. Achtzig ihrer Landsleute waren gestorben, einfach so!
»Warum ruft ihr nicht ARMIDORN um Hilfe? Oder die Angehörigen einer Söldnerwelt?«
»Weil der Krieg gegen die Loga-Wanica offen auszubrechen droht. ARMIDORN mischt sich niemals in schwelende Konflikte ein, und dieser robotische Generalsekretär ist ohnedies viel zu schwach, um seine Ideologie eines friedlichen
Zusammenlebens aller Kahlsack-Völker mit dem nötigen Nachdruck zu vertreten.« Drira Tongon stellte sich auf die Hinterbeine und zeigte den purpurnen, vor Angst angeschwollenen Unterkörper. »Söldner können wir uns nicht leisten, und wir wollen sie auch nicht auf unserer Welt. Du weißt sicherlich besser als ich, dass sie mehr Schaden anrichten als Nutzen bringen.«
Ja, das wusste Pschoim nur zu gut. Die Regierungen einiger Söldnerplaneten hatten lukrative Verträge mit den Gremien der Thanatologen abgeschlossen. Sie wurden aus gutem Grund unter Verschluss gehalten, denn sie beinhalteten fragwürdige Passagen, die mit Objektivität nicht viel zu tun hatten. Unparteilichkeit war lediglich ein Schlagwort. Es gab immer Spielraum - den die Thanatologen geschickt zu nutzen verstanden.
»Was erwartest du von mir?«, fragte er zögerlich.
»Sorge dafür, dass niemand mehr zu Schaden kommt.«
»Und wie soll ich das anstellen, Drira Tongon? Ich habe weder meine Ausrüstung bei mir noch meine Schiffssphäre.«
»Erwartest du etwa, dass ich dir Ratschläge erteile? Du bist ein Totengräber! Wer wäre besser als du in der Lage, diese Situation zu verstehen und zu entschärfen?«
»Ich kümmere mich darum«, sagte Pschoim und streichelte dem Xalifen besänftigend den Unterkörper.
Drira Tongons Leib verfärbte sich vor Freude und Erleichterung, ein unterkühltes Sandgelb breitete sich entlang seiner Beinhaut aus. »Ich danke dir, Totengräber. Die Heiligen Flammen werden dich begleiten.«
Pschoim
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