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Turils Reise

Turils Reise

Titel: Turils Reise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marcus Thurner
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ausgehalten?«
    Turil lächelte. Diese ungewohnte Mimik fiel ihm zwar schwer, doch er hatte sie bereits einige Male während der letzten Stunden trainiert. Die Muskulatur gehorchte ihm. »Wenn du Dankbarkeit dafür erwartest, dass ihr mich ins Leben zurückgebracht habt, dann täuschst du dich. Ihr wollt etwas von mir. Andernfalls hättet ihr euch niemals so viel Mühe mit mir gegeben. Stimmt’s?«
    »Du musst es wissen. Immerhin bist du einer von uns.« Pschoim wippte mit dem überkreuzten Bein, ein Zeichen von Nervosität, wie Turil wusste.
    »Ich war ein Thanatologe. Ich denke nicht, dass ich jemals wieder das freudlose Leben eines Totengräbers aufnehmen werde. Gib dir keine Mühe, Vater! Drohungen verfangen nicht. Nicht mehr. Während der letzten Tage habe ich Qualen erlebt, die alles, was noch kommen mag, als Kleinigkeit erscheinen lassen.«

    Pschoim nickte zögernd, als akzeptierte er Turils Worte. Als wollte er sich geschlagen geben.
    »Ich möchte dir nicht drohen, Sohn. Du musst selbst wissen, wo dein Platz ist.«
    »Sag es mir!«, forderte Turil ein zweites Mal. »Wohin gehöre ich? Ich habe Zeit, und ich bin ein guter Zuhörer.«
    Pschoim zögerte, und erst als Turil Anstalten machte aufzustehen und den Raum zu verlassen, sagte er mürrisch: »Also schön; ich erzähle dir alles. Stört es dich, wenn ich Ofenau und Sorollo hinzubitte?«
    »Meinetwegen.« Was für ein Spiel spielte sein Vater? Warum wollte Pschoim ausgerechnet jene beiden Geschöpfe mithören lassen, die als treue Gefolgsleute Kix Karambuis galten? Er wusste mittlerweile, wie die beiden Wesen funktionierten. Bewusstseinssparten, die sich einen Körper teilten, mochten Vorboten zukünftiger Gesellschaftssysteme sein.
    Die Xeniathen betraten in völliger Lautlosigkeit den Raum. Die Frau namens Sorollo betrachtete ihn mit größtem Interesse, und für einen Augenblick glaubte er, eine Art von körperlichem Verlangen nach weiblicher Gesellschaft in sich zu spüren. Es war so lange her, dass er …
    Der Mann hingegen, Ofenau, wirkte verunsichert. Er hielt den Blick gesenkt und blieb stets einen Schritt hinter seiner Partnerin. Irgendwie ähnelte er ihm selbst, Turil. Die beiden Xeniathen ließen sich nebeneinander auf einer Couch nieder.
    »Wir leben in aufregenden Zeiten«, begann Pschoim. »Möglicherweise sehen wir dem Ende aller Zivilisationen des Kahlsacks entgegen. Ganz sicher aber hat der Ausgang dieses Gesprächs das Ende von zumindest einem Volk zur
Folge. Es obliegt dir zu entscheiden, für wen du Schicksal spielen möchtest: für uns Totengräber oder für jene Geschöpfe, die wir Kitar nennen.«

21 - VERGANGENHEIT UND GEGENWART, UND VOR ALLEM: QUERESMA

43 Jahre zuvor
    Die GELFAR kämpfte mit aller Vehemenz gegen Pschoim. So, wie sie es schon bei den Vertretern früherer Generationen getan hatte.
    »Sie wagt sich immer weiter vor«, sagte der Totengräber, »sie schreckt vor kaum etwas zurück.«
    »Sei still!«, fuhr ihn Kakari an. »Sie kann uns hören.«
    »Das spielt längst keine Rolle mehr. Sie weiß, dass wir es wissen, und wir wissen, dass sie es weiß. Nicht wahr? NICHT WAHR?!«
    Die GELFAR blieb stumm und stellte ihre Omnipräsenz auf eine ganz andere, viel subtilere Art unter Beweis: Mehrere im Reflektorium ausgestellte Gegenstände begannen zu summen und zu surren. Sie alle waren mit Minispionen, Kameras und sonstigen Überwachungsaggregaten versehen.
    »Sie will uns von hier vertreiben und erhebt Anspruch darauf, einen neuen Lenker bestimmen zu dürfen. Einen, den sie in ihrem Sinn formen und jeglichen Willens berauben kann.«

    »Nach dem derzeitigen Stand der Dinge besitzt sie auch alle Rechte dazu. Du weißt, wie es um mich steht.« Kakari beugte sich zu Pschoim vor und ließ ihn in einer ungewohnten Geste des Vertrauens ihren Körper spüren.
    Ja, er wusste Bescheid. Seine Frau war unfruchtbar. Geworden. Ein Einfluss, der von der GELFAR einer kosmischen Hintergrundstrahlung zugeschrieben wurde, hatte ihren Unterleib in Mitleidenschaft gezogen. Jedes in vivo gezeugte Kind würde im Mutterleib sterben oder debil zur Welt kommen. Und damit würde die Ahnenreihe Pschoims, die viele Jahrhunderte zurückreichte, enden.
    Sein Hass war grenzenlos, und nur mühsam hielt er die aggressiven Emotionen unter Kontrolle. Er hatte mittlerweile genügend Beweise gesammelt, um den Verdacht erhärtet zu wissen, dass die GELFAR selbst für die genetischen Schädigungen verantwortlich war. Die Schiffssphäre machte sich nicht einmal

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