Turils Reise
stöberte in den Archiven, bevor er seine Transportgondel Richtung Lavameer in Bewegung setzte. Die
Form des gestrandeten Raumers war bekannt. Sie wurde den Schiffen eines rätselhaften Volkes namens Kitar zugeschrieben, das immer wieder in den Tiefen des Kahlsacks auftauchte, offenbar Beobachtungen anstellte und bald darauf wieder verschwand, ohne auf Versuche der Kontaktaufnahme zu reagieren. Gerüchteweise war es vereinzelt zu Kampfhandlungen zwischen ihnen und Angehörigen anderer Völker gekommen, die stets die Kitar als Sieger gesehen hatten. Mit Ärger registrierte er, dass Friedenshof Grau einige Dateien nicht freigab. Ein ganz besonderes Geheimnis umgab die Kitar, und ihm fehlte ausgerechnet jetzt jene Datensicherheit, die er so sehr schätzte.
Der omnipräsente Nebel, verursacht durch den beständigen Verdampfungsvorgang in den Tiefen des Ozeans, erschwerte die optische Wahrnehmung über Eybenyu, während seine Messgeräte den träge dahintreibenden Kubus der Kitar ohne Probleme erfassten. Er besaß eine Kantenlänge von mehr als hundert Metern; die Höhe des Gefährts variierte allerdings. Manchmal schien das Schiff nur wenige Zentimeter stark zu sein, dann wieder Dutzende Meter. Auch die Oberflächenbeschaffenheit veränderte sich von Sekunde zu Sekunde. Eine chromfarbene und glatte Wandung wirkte im nächsten Moment schrundig und zernarbt.
Pschoim empfand Angst. Tiefe, kreatürliche Angst. Dort unten im Ozean trieb etwas, das nicht sein durfte, und es kämpfte um sein Überleben. Hätte ich bloß die GELFAR bei mir, sinnierte er, um den Gedanken gleich darauf erschrocken beiseitezuschieben. Er war keinesfalls abhängig von seiner Schiffssphäre, und heute würde er es beweisen!
Das fremde Objekt reagierte nicht auf seine Rufe, auf welche Art auch immer er versuchte, Kontakt aufzunehmen. Es dümpelte weiter dahin, von gewaltigen Wellenkämmen
hochgehoben und in metertiefe Abgründe geworfen. Mehr als einmal geriet es unter den Hagelschauer von Magmabrocken, die, von unterirdisch eruptierenden Vulkanen ausgespuckt, hunderte Meter hochgeschleudert wurden und dann als erkaltetes Gestein auf das Schiff niederprasselten.
Pschoim näherte sich vorsichtig. Er sendete seine Kennungen, wies auf seine Volkszugehörigkeit als Totengräber hin, ließ die Virtualbildner sogar Botschaften direkt vor das Kitar-Schiff projizieren, in der Hoffnung, irgendeine Reaktion zu erzielen.
Die Angst wurde unerträglich. Die Existenz dieses dampfumhüllten Gefährts war widernatürlich. Es vermittelte Fremdheit und Außerdimensionalität. Pschoim konnte die Präsenz eines Wesen spüren, fühlte seine mentale Stärke als Druck, der sich immer mehr und immer deutlicher in ihm ausbreitete. Alles in ihm sehnte sich danach umzukehren und mit seiner Frau diesem Planeten für alle Zeiten den Rücken zu kehren. Aber, so sagte er sich, ich habe versprochen, diese Aufgabe zu einem Ende zu führen. Und Thanatologen halten stets ihr Wort.
Er ließ die Transportkapsel, die ihm im Vergleich zur GELFAR als schwach und minderwertig erschien, unmittelbar neben dem fremden Schiff wassern. Ein energetischer Faserschirm vermittelte zumindest den Eindruck von Sicherheit. Er war bloß ein billiger Abklatsch jener Verteidigungsmöglichkeiten, die seiner Schiffssphäre zur Verfügung standen, dennoch beruhigte er Pschoim ein wenig. Der Totengräber öffnete die Luke und betrat das Deck seiner Gondel. Rings um ihn schwappte nahezu kochend heißes Wasser gegen Metall. Die fauligen Dämpfe hielt sich der Totengräber mit Filtern vom Leib, gegen die schweißtreibende
Hitze schirmte er sich mit einem einfachen Schutzanzug ab.
Pschoim betrachtete die glänzende Fläche des fremden Raumschiffs aus unmittelbarer Nähe. Sie wirkte noch unheimlicher und noch bedrohlicher als aus der Distanz.
Er warf hunderte Minispione in die Luft und beauftragte sie, das Kitar-Schiff aus unmittelbarer Nähe zu vermessen. Die kleinen, fingerdicken Körper flirrten davon. Manche tauchten ins Wasser ein, andere erhoben sich weit in die Luft, ein Gutteil von ihnen saugte sich auf der metallenen Oberfläche fest - um gleich darauf wie auf einer schiefen Ebene abzurutschen und ins Wasser zu gleiten.
»Alle Funktionen ausgefallen«, murmelte Pschoim. Zehnmal, hundertmal und öfter wurde ihm diese Meldung von der handgesteuerten Zentraleinheit übermittelt. Kein einziger Spion schaffte es, auch nur die geringste Meldung über den unheimlichen Raumer abzusetzen. Weder erfuhr er
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