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Turils Reise

Turils Reise

Titel: Turils Reise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marcus Thurner
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nicht. Jegliche Würde war ihm genommen. Ihm blieb nichts anderes übrig, als weiterhin an den Strippen des Kitar-Wesens zu tanzen.
    Irgendwann endete das Martyrium, und er atmete die feuchte, faulige Luft Habercains. Das chromglänzende Metall der Oberfläche, auf der er mehr schlecht als recht balancierte, war nun rostrot gefärbt. Ganze Streifen korrodierten Metalls fielen ab, wie Eisblöcke eines kalbenden Gletschers, und versanken im Lavameer. Pschoim rief die Transportgondel herbei. Sie kam, zögerlich, senkte sich herab, ohne die zerfallende Substanz des Kitar-Schiffes zu berühren, als empfände selbst dieses tumbe Beförderungsmittel Angst.
    Pschoims Arme wurden schwer, so schwer. Rings um ihn knisterte, krachte und gluckerte es; jene Fläche, auf der er sich gefahrlos bewegen konnte, war auf wenige Quadratmeter zusammengeschrumpft. Den Rest des Kitar-Schiffes hatte der Ozean aufgefressen, und wenn er nicht endlich in die Gänge kam, würde er auch ihn verschlingen. Das Ding in seinem Arm bewegte sich nach wie vor unruhig. Jede Berührung war wie ein elektrischer Schlag, jedes Geräusch, das es von sich gab, ließ Pschoim schaudern.
    Er nahm eine winzige Prise Kautium, fühlte, wie sich die Wirkung augenblicklich ausbreitete, und marschierte dann die wenigen Schritte einer gedachten Treppe hoch, hinauf zur Transportgondel. Das primitive Gefährt ächzte
und stöhnte. Mit der letzten ihm verbliebenen Kraft übernahm Pschoim die Steuerung und riss es hoch, weg von den Sturmböen einer zornigen, entfesselten See, weg von einem dem Untergang geweihten Sternenschiff. Er stieg höher und höher, bis er die Stratosphäre des Planeten Habercain hinter sich gelassen hatte und die Welt unter ihm nur noch eine rotbraune Murmel war, deren Oberfläche aus dieser Entfernung wie erstarrt wirkte. Erst dann wagte es Pschoim, Atem zu schöpfen.
    Was hatte er getan? Was hielt er da in seinen Armen? Welche Macht hatte ihn überwältigt und ihm ihren Willen aufgezwungen?
    Er lüpfte zögerlich den Zipfel des Gazetuches und warf einen ersten Blick auf das Ding, das ihm überantwortet worden war. Ein Hauch von goldenem Schimmer umgab es, und es war … wunderschön.
    Ein Wort, eine Geste umgab das Geschöpf. Es war unerklärlich und unsichtbar, aber mit allen Sinnen spürbar . Pschoim sahspürterochhörtelasschmeckte einen Begriff, den er niemals mehr wieder vergessen würde: »Queresma.«

Heute
    Turil wollte aufstehen und davonlaufen. Er hatte genug von diesem Unsinn gehört. Warum hatte er sich eigentlich auf dieses Gespräch eingelassen? Was tat er hier? Warum suchte er nicht das Weite, verkroch sich irgendwo in einem der vielen Winkel des grauen Friedenshofes, um dort in aller Ruhe über sein weiteres Leben nachzudenken? Warum wollten sich seine Beine nicht bewegen, um ihn von hier wegzubringen, weg vom verhassten Vater und seinen
Worten, die ihn mehr schmerzten als alles andere, das er ihm jemals angetan hatte?
    »Ich brachte dieses … Queresma zurück in die Lavaburg Gracht und teilte den Xalifen mit, dass die Gefahr gebannt sei«, sagte Pschoim leise. »Man bejubelte mich, man komponierte Lieder zu meinen Ehren und bot mir an, für alle Zeiten auf Habercain zu bleiben. Ich ließ die Ehrerbietungen über mich ergehen …«
    »Ich weiß Bescheid«, unterbrach Turil seinen Vater schroff. Er hatte solche Zeremonien mehr als einmal über sich ergehen lassen. »Was geschah mit Queresma?«, zwang er sich zu fragen.
    »Ich brachte es … ihn in unsere Wohnhöhle und zeigte ihn Kakari. Sie betrachtete ihn anfänglich mit einer Mischung aus Abscheu und Interesse, wie ich auch. Aber dann …«
    »Ja?« Turils Herz schlug so heftig, dass er meinte, im nächsten Augenblick tot umfallen zu müssen.
    »Wir konnten uns der Wirkung Queresmas nicht entziehen. Er war in der Tat etwas Besonderes. Weder tot noch lebendig, weder gut noch böse, weder jung noch alt. Er war auf eine merkwürdige Weise ungeformt, besaß keinerlei Bewusstseinsprägung. In einem gewissen Sinne ähnelte er einem Ungeborenen. Vielleicht hatte er seit Ewigkeiten im Inneren des Kitar-Schiffes geruht. Darauf wartend, irgendwann eingesetzt zu werden, so wie wir die Schiffsgehirne für unsere Zwecke einsetzen.«
    »Nein«, sagte Turil. Da war etwas in ihm, das zu arbeiten begann.
    »Vielleicht war es in einer Art Stasis-Schlaf an Bord des Kitar-Schiffes von einem Ort zum nächsten transportiert worden.«

    »Nein!« Turil sprang auf; seine wackligen Beine trugen ihn

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