Turils Reise
übernahm.
»Wir wissen«, dozierte die Xeniathin oberlehrerhaft, »dass die wichtigsten Organe bei unseren Feinden problemlos ausgetauscht werden können. Auf den Bildern des Inneren des verstorbenen Originals sehen wir größere und robustere Innereien. Der Kitar barg zwei Herzen in sich, von denen das eine sich in einer Art Ruhemodus befand. Die Blutzufuhr war äußerst begrenzt, das Herz schlug nur ein-bis zweimal pro Stunde. Als das erste Herz - aus welchen Gründen auch immer - versagte, übernahm das Ruheherz seine Funktionen. Problemlos, von einem Moment zum nächsten. Beide Organe sind doppelt so groß wie das unseres Dummys.«
Ofenau verglich die Maße aller Innereien. Die Größenunterschiede waren beachtlich. »Was ist mit den Lungenlappen?« Ofenau griff in die bildliche Darstellung und bekam einen schwarzen, von Myriaden roter Veräderungen gemaserten Brocken zu fassen. Er spürte das leise Prickeln, das Substanz im dreidimensionalen Bild vorgaukelte.
»Sie sind teilweise mit der Scheidehaut verwachsen und arbeiten … unregelmäßig.« Bo/Sorollo stocherte mit einem Stift im Leib des Dummys umher. Bei manchen Berührungen zuckte der tote Körper; dann, wenn sie einen Nerv getroffen hatte. »Diese Flächen rings um die beiden Luftröhren« - sie deutete auf einen in dünne Lamellen geteilten Hautlappen, der zwei knöchrige Rohre umgab - »deuten auf rudimentäre Verwendungsfähigkeit des Körpers als Kiemenatmer
hin. Schade, dass wir unserem Dummy nichts zum Essen gegeben und ihn in Wasser gelegt haben, bevor wir ihn aufweckten. Ich hätte gerne gesehen, ob die Kiemen auch ausscheidend arbeiten.«
»Wir können jederzeit einen neuen züchten«, sagte Lux Daibi in Ofenau. Lich-Pal, der Aktionskünstler mit dem empfindlichen Magen, protestierte, wurde jedoch von den anderen fünf Sparten zurückgedrängt. »Das vorhandene Gewebematerial reicht noch für gut und gern zehn Dummys.«
»Dann sollten wir zwei weitere anfertigen, sie unter unterschiedlichen Umweltbedingungen aufwachsen lassen und sie in jeder Phase ihres Werdens miteinander vergleichen. Binnen sechs Tagen sollten die Körper ausgereift sein.« Sorollo beugte sich vor und pulte jene beiden Organklumpen, denen sie bislang bewusst keine Aufmerksamkeit gewidmet hatte, aus dem Leib. Sie waren flach und langgezogen und wirkten seltsam verkümmert. An der schrumpeligen Oberfläche zeigten sich mehrere gut durchblutete Zysten. »Wenn ihr bloß eure Geheimnisse preisgeben würdet!«, stieß die Xeniathin einen Stoßseufzer aus, »dann wüssten wir wahrscheinlich, warum ihr so seid, wie ihr seid.«
Die beiden Organe lagen lose im Fleisch. Bei Originärkörpern befanden sie sich an den Lendenseiten hinter nochmals verstärkten Schutzgittern. An einer Stelle berührten und durchdrangen sie die Unterhaut. Löste man sie aus dem Körper, verloren sie augenblicklich ihre rosige Farbe und verschrumpelten, so wie diese beiden Exemplare hier.
»Es hilft nichts: Wir benötigen das intakte Exemplar eines Kitar.«
»Um es zu zerlegen.«
»Um es zu befragen, zu foltern und zu zerlegen. Ja.«
So kamen sie nicht weiter. Ofenaus Unruhe wuchs und
wuchs. Es wurde Zeit, dass sie HALB verließen und ihren Nachforschungen auf eigene Faust nachgingen. Die Zeit des Flüggewerdens war gekommen.
Beide warteten sie, bis die Sezierroboter den Leib des Kitar fachgerecht zerlegt und vermessen hatten. Die wenigen neuen Erkenntnisse wurden für eine spätere multivisuelle Aufbereitung abgespeichert. Sie bereiteten einen ausführlichen Bericht für den Sekretär ARMIDORNs vor, entsorgten die Reste des Dummys und zogen sich anschlie- ßend in ihre spartanisch gehaltenen Räumlichkeiten zurück.
»Sex?«, fragte Sorollo kurz angebunden während der gemeinsamen Dusche.
»Sex«, bestätigte Ofenau ebenso knapp. Er packte die Frau an den Hüftknochen und zog sie eng an sich. Seine Hände wanderten an der Reihe künstlicher Knorpel parallel zur Wirbelsäule nach oben. Sie fühlten sich kühl an. Manche der Steckplätze waren bereits mit Zusatzmodulen belegt; manche von ihnen würden erst dann bestückt werden, wenn sich die Notwendigkeit ergab.
Chinchin übernahm das Kommando in ihm. Er repräsentierte die erfahrenste Sparte in Ofenau, wenn es um Libido ging, und er traf zumeist auf sein männlich bestimmtes Pendant in Sorollo, auf Khadim. Hatten sich die beiden Sparten arrangiert, dann kamen in einem bunten Reigen alle anderen Bewusstseinsstrukturen zum Zug, um schließlich
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