Turils Reise
Einfluss ihrer beiden Humanes-Sparten machte sich dann besonders stark bemerkbar und ließ den groß gewachsenen Körper angespannt wirken.
»Wir hatten eine Hoffnung, und diese hat sich nicht erfüllt. Das ist alles.« Lux Daibi überließ das Kommando über den geteilten Geist nunmehr Abylon, der in seiner körperlichen Ursprungsform als Quallenähnlicher die Ozeane seines Heimatplaneten durchtaucht hatte. »Wir sollten die Körper sezieren«, piepste der Intuitiv-Pragmatiker mit hoher Stimme. »Wenn wir schon nicht in der Lage sind, den Geist der Kitar zu erforschen, dann sollten wir zumindest alles über ihre körperliche Konstitution in Erfahrung bringen.«
»Wir konnten bereits zusehen, wie aus einigen wenigen Geweberesten ein funktionelles Wesen entstand. Warum sollten wir nun den umgekehrten Vorgang beobachten? Außerdem sind wir nicht die Ersten, die auf eine derartige Idee gekommen sind. Warum bist du so versessen darauf, diesen Leichnam aufzuschlitzen?«
»Ich möchte mir später nicht den Vorwurf machen lassen, etwas übersehen zu haben. Jede Kleinigkeit mag uns weiterhelfen.«
Seziermaschinen setzten sich auf Abylon/Ofenaus Befehl hin in Bewegung. Klingen, so scharf, dass sie Moleküle zerteilen konnten, glitten aus ihren Futteralen. Sie glänzten, kaum sichtbar, im Fokus der Spezialscheinwerfer.
»Beginnt mit dem Kopf«, verlangte Abylon/Ofenau. Er deutete auf das fratzenhaft verzerrte Gesicht, dessen Mienenspiel so angsterregend wirkte, dass sich selbst der
Xeniathe eines Schauderns nicht erwehren konnte. Der Anblick eines Kitar erweckte Ängste in fast jedem vernunftbegabten Lebewesen; vor allem die beiden geschlitzten Augen mit den gelben, mehrfach geteilten Pupillen, und die Wangen, deren stark behaarte Haut sich eng um einen lippenlosen und runden Mund presste, in dem sich schier endlose Reihen von Zähnen ins Innere fortsetzten. Kieferknochen besaß der Kitar keine. Knochige und spitze Ablagerungen besetzten den Hals und ließen ihn wie eine Raspel wirken. Und dann die Ohren … beständig rann feuerroter Ausfluss aus ihnen, tropfte auf geleeartige Fettpolster an den Schultern und diffundierte dort irgendwie . Aus der Lamellennase trat auch jetzt noch, Minuten nach dem Exitus, ätzender Rauch aus. Es hatte den Anschein, als besäße der Kitar ein körpereigenes Chemielabor, das über den Tod hinaus mit giftigen Substanzen experimentierte.
Drei von Ofenaus Sparten wollten sich angewidert abwenden. Es dauerte einige Sekunden, bis sich die Persönlichkeiten im geteilten Körper darüber im Klaren waren, dass sie bei der Obduktion zusehen mussten.
Ein selbstgesteuerter mechanischer Arm klappte aus einer Haltenische. Er ließ sein Messer mit Bedacht über den Hals des Kitar gleiten. Sein Schädel fiel vom Rumpf, Blut rann aus der Halsöffnung, in der sich die breiten, kräftig wirkenden Knochenplatten des Wirbelgerüsts zeigten. Zwei weitere Schnitte, kreuzweise geführt, öffneten die Brust. Metallene Finger zogen die Pelzhaut auseinander - und boten einen Blick auf die größte Besonderheit dieses merkwürdigen Wesens.
Bei einem Kitar, der sich im Einsatz befand, lagerten die Organe im Brust-und Rückenbereich unter der Pelzhaut. Ja, sie lagerten. Fein säuberlich aufgereiht, in transparente
Flüssigkeitsbehälter gestülpt, von feinmaschigen und nahezu unzerstörbaren Gittergeflechten zusätzlich geschützt. Beim Dummy schimmerte unter dem klebrigen Haar lediglich eine rosarote und zarte Epidermis, für die sich der Begriff Scheidehaut durchgesetzt hatte.
»Es ist alles so rätselhaft«, sagte Sorollo. »Wir wissen nicht, ob dieser Hohlraum zwischen Pelz-und Scheidehaut der natürlichen Erscheinungsform der Kitar entspricht oder ob er ihnen angezüchtet wurde. Diese Einbuchtungen« - sie deutete auf faustgroße Hohlräume -, »lassen Letzteres vermuten. Vielleicht aber sind die Kitar Beuteltiere, die irgendwann im Laufe ihrer Entwicklungsgeschichte eine Spontanmutation durchlaufen haben. Sie sind der Milchdrüsen verlustig gegangen oder benötigten auf ihrem Heimatplaneten den Schutz des Beutels nicht mehr für ihre Brut. Die Brust-und Rückenbeutel verkümmerten und wuchsen zu. Spätere Generationen, die sich mit einer Optimierung der Körper beschäftigten, kamen dann auf die Idee, diese Hohlräume zu nützen …«
Ofenau unterbrach seine Kollegin, bevor sie sich in allzu gewagte Theorien erging. »Was ist das?«, fragte er und deutete auf mehrere wurmähnliche Fleischanhängsel im
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