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Turils Reise

Turils Reise

Titel: Turils Reise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marcus Thurner
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Rätseln zu sprechen! Warst du in der Zentrale oder nicht?«
    »J…nein. Ich weiß es nicht, Herr/Vater. Aber es war … es war …«
    Der Kampfsohn, der noch zu jung war, um sich einen Eigennamen verdient zu haben, brach unvermittelt zusammen. Die Beine gaben nach, rutschten seitlich weg, und die Augen brachen.
    Er war tot.
    Dreidreiblau hatte Mühe, die Beherrschung zu bewahren. Verschwor sich denn alles gegen das Volk und ihn? Was hatte der Kampfsohn gesehen, wo befand sich der Ort, an dem die Transmission stattgefunden hatte, und vor allem: Warum war er gerade jetzt gestorben?
    »Zu mir!«, schrie und knackte Dreidreiblau laut tremolierend mit seiner Alarmstimme. Er drehte sich im Kreis. Der omnipräsente Lichtschein verhinderte, dass er weiter als vier Körperlängen sehen konnte. »Kommt zurück, wo auch immer ihr euch befindet!«
    Vier, dann fünf Kampfsöhne antworteten ihm und kündeten ihre Rückkehr an. Sie baten, dass er ihnen durch weitere Zurufe Orientierung gab; im grellen Weiß hatten sie die Richtung verloren.
    Und warum dann der Verstorbene nicht? Welche Geheimnisse hatte er enträtselt?
    Endlich fanden die Söhne zurück. Sie wirkten schwach und konnten sich kaum noch auf den Beinen halten. Von
ihren Leibern fielen Hautschuppen ab, da und dort sah Dreidreiblau offene, schwärende Wunden. »Dies ist kein Ort für uns, Herr/Vater«, ächzte einer ungefragt. »Wir sollten das Kitar-Schiff so rasch wie möglich verlassen.«
    »Niemals!«, rief Dreidreiblau und ließ die Mandibeln bekräftigend übereinanderschaben. »Wir müssen die Dungkugel unter allen Umständen retten.«
    »Aber wir werden sterben …«
    Der Clan-Primus fegte den Kampfsohn mit einem Hieb seines Hinterkörpers beiseite. Er rutschte über die Leuchtfläche, versuchte verzweifelt, sich irgendwo festzuhalten, festzukrallen - und glitt durch die Bodenluke. Er stürzte hinab auf Töchter und Weiber, hunderte Meter tief, um im wogenden Feld der wartenden Familienmitglieder aufzuprallen und weitere von ihnen in den Tod zu reißen. Er hatte während des Sturzes keinen Ton von sich gegeben. Also hatte er sich zumindest ein kleines Quäntchen an Ehrgefühl bewahrt.
    »Hat sonst noch jemand irgendwelche Einwände?«, zischte Dreidreiblau die überlebenden Söhne an.
    Niemand reagierte. Jungweiber wie Söhne duckten sich so flach es ging gegen den kühlen Boden. Sie sonderten dampfendes Sekret ab, das ihn beschwichtigen sollte, in diesen Augenblicken aber genau das Gegenteil bewirkte. Dreidreiblau fühlte sich von Schwächlingen umgeben und im Stich gelassen. Er hasste seine Familie, hasste all die Strukturen, durch die er sich von Geburt an quälen musste, hasste all die Einschränkungen und Konventionen. Er wollte … wollte...
    Dies waren nicht seine Gedanken. Der Clan-Primus beruhigte sich, so gut es ging. Er unterlag einem Fremdeinfluss.

    Er musste der Verwirrung in seinem Kopf beikommen. Dreidreiblau dachte an ganz besondere Begattungsrhythmen, an Macht und Kraft, an seine Hohen Tage als Weltsprecher, an all die Achtung, die ihm zeit seines Lebens entgegengebracht worden war. Doch es nützte nichts. Schrecklich irrationale Gedanken nisteten sich ein. Sie brachten Ängste und Phobien mit sich, sie ließen ihn den Überblick über all das verlieren, was er zu tun hatte.
    Er achtete nicht mehr weiter auf seine Kampfsöhne. Er wälzte den müden Körper seitwärts, über den grell leuchtenden Boden in jene Richtung, die der so überraschend verstorbene Kampfsohn genommen hatte. Die beiden Jungweiber wollten ihn aufhalten; er stupste sie mit einigen ungezielten Lamellenbewegungen beiseite. »Ihr bleibt hier!«, schrie er sie an. »Sorgt dafür, dass die Dungkugel heraufgebracht wird.«
    Dreidreiblau war sich dessen bewusst, dass er Unmögliches verlangte. Niemand würde auf zwei dumme Gören hören, und auch nicht auf die Kampfsöhne, die ihm verwirrt nachblickten. Er hätte von vorneherein ein Altweib hochschaffen müssen. Man sagte den nicht mehr zum Gebärprozess fähigen Frauen eine gewisse Weisheit nach, und in weiten Teilen der Familie hörte man auf sie.
    Doch das alles war nur noch von geringem Interesse. Das omnipräsente Licht übte Reize auf ihn aus, denen er sich nicht entziehen konnte. Alles an ihm - und in ihm - schmerzte. Er fühlte sich schwach, müde, zu Tode erschöpft.
    Ein Beinpaar nach dem anderen versagte. Die dünnen Glieder lösten sich vom Körper und fielen einfach ab. Dreidreiblau konnte zusehen, wie sie hart und

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