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Turils Reise

Turils Reise

Titel: Turils Reise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marcus Thurner
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der Leib einer letzten Kampftochter zerbrach unter einer Reflexbewegung ihres Gegners. Dann war Ruhe.
    Doch nicht für lange. Denn die Jungweiber forderten ihre Rechte ein. Selbst angesichts der prekären Lage wollten sie nicht auf die Nahrungsaufnahme verzichten. Sie schoben ihre Brüder unsanft beiseite und zerteilten den Leichnam mit der Leidenschaft ihrer Jugend. Wie Furien fielen sie über den Toten her und zerlegten ihn binnen weniger Sekunden. Als es ruhig wurde und die meisten Jungweiber gesättigt von ihrer Beute abließen, konnte Dreidreiblau nur noch einige Glas-und Metallreste ausmachen, die vom Kitar übriggeblieben waren. Drei der Weibchen gruben sich hastig Legegruben. Der Nahrungsschub bewirkte vorzeitige Geburtsspasmen. Hier und jetzt würde die Familie um dreißig bis vierzig Mitglieder anwachsen und die herben Verluste des heutigen Tages zumindest teilweise ausgleichen.
    Triumphierendes Klacken wurde ringsum laut. Der Familienzug gab die Nachricht über den kaum erhofften Sieg weiter, bis auch der letzte Schlüpfling davon wusste.
    »Nichts und niemand kann die Axtaras besiegen!«, rief Dreidreiblau mit hoch in den Himmel gestreckten Vorderbeinen. »Jeder von uns wird nun die Heiligste Dungkugel mit einem Abstrich versehen; sobald wir unsere Arbeit erledigt haben, rufen wir das Transportschiff mit Hilfe der Dunstraketen herbei und schicken es auf den Weg ins Unbekannte. Wir jedoch bleiben hier und kämpfen bis zum letzten Atemzug in dem Wissen, dass irgendwo eine neue Generation von Axtaras heranwachsen wird. Jungweiber
werden in der Fremde alle Gebärhemmungen aufgeben, der neue Clan-Primus wird Tag und Nacht seiner Zeugungspflicht nachkommen. Unsere Nachfahren werden die Kitar suchen und finden - in welchem Winkel des Kahlsacks auch immer sie sich versteckt halten. Wir werden fürchterliche Rache nehmen!«
    »Rache!«, nahmen manche Töchter, Söhne und Weiber den gen Himmel gerichteten Schwur auf. Andere fielen ein, immer mehr Familienmitglieder reihten sich in den Chor ein, bis alle 13 000 dieses eine Wort brüllten und der Fels von ihren Stimmen zu erbeben schien.
    Die Heiligste Dungkugel wurde bereits beschleimt. Immer mehr Familienmitglieder rieben sich an der rauen Oberfläche und entfernten sich, sobald sie ihre Arbeit erledigt hatten, um den Nachdrängenden Platz zu machen. Das Triumphgeklacker wurde mit jedem getätigten Abstrich lauter, begeisterter.
    Dreidreiblau sah nach oben. In all der Euphorie hatte er nicht mehr an jenes unbemannte Kitar-Schiff gedacht, das dicht über ihren Köpfen stand. Nichts regte sich im beleuchteten Rechteck.
    War das ihre große Chance? Konnten sie den Raumer ihrer Gegner entern und für ihre eigenen Zwecke nutzen?
    Er sah sich um und suchte die Gruppe flügge werdender Jungweiber. Die rudimentären Flügel, die ihnen während der Matrimonität aus dem Leib wuchsen und schon einen Jahreswechsel später wieder abfielen, konnten ihnen nun von Nutzen sein. Nur kurz bedauerte Dreidreiblau den Verzicht aller Axtaras auf fortschrittliche Technik. Sie besaßen keine Flugaggregate und keine Schutzanzüge, hatten sich ihnen immer verweigert.
    Doch es war, wie es war. Sie mussten mit dem zurechtkommen,
was sie hatten. Und dazu gehörten zumindest zweihundert Jungweiber, die ihn und zehn der kräftigsten und intelligentesten Söhne hoch ins Innere des Kitar-Schiffes bringen konnten.
    Er schob sich in die Masse der nächststehenden Axtaras und gab durch Körperreibung seine Befehle weiter. Nicht immer bedurfte es des Wortes, um sich mitzuteilen. Es dauerte nicht lange, da hatten sich die Jungweiber und zehn kräftige Söhne vom Rest des Clans abgesondert. Erwartungsvoll blickten ihm die Angehörigen beider Gruppen entgegen.
    »Ihr wisst, was ich von euch erwarte?«, fragte Dreidreiblau die Jungweiber.
    Seine Kinder nickten ihm zu. Gazeähnliche Flügel entfalteten sich und begannen brummend zu schlagen. Der Lärm war ohrenbetäubend, Staub wirbelte hoch. »Nehmt mich zuerst!«, befahl er und ließ seine Vorderbeine einknicken. Dreißig Jungweiber versammelten sich links und rechts von ihm, hoben seinen schmerzenden, von den Dauerbegattungen entzündeten Leib in ihre Arme und setzten gemeinsam an. Dreidreiblau wurde hochgehoben. In seinen Mägen schwappte Flüssigkeit hin und her, für kurze Zeit verkrampfte sich sein Leib. Dann fühlte er die Euphorie. So musste es gewesen sein, vor vielen Jahrtausenden, zur Dämmerzeit seines Volkes, als der junge Clan-Primus von

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