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Turils Reise

Turils Reise

Titel: Turils Reise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marcus Thurner
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dramatischen Geste erhobenen Händen. Eine Windbö erfasste den Zeremonienmantel; der Totengräber sorgte dafür, dass buntfarbener Flitter aus den Ärmeln des Kleidungsstücks hervorquoll, vom Wind verweht wurde und weit oben im Himmel in kleinen Explosionen verging. »Ihr zieht euch nun zurück und stört mich nicht weiter. Wenn der Morgen des übernächsten
Tages anbricht, sollen sich die Gläubigen am Fuß des Götterberges versammeln. So viele Oroptiker und Karantiker wie möglich sollen Zeuge von Loaps Tod werden.«
    »Einverstanden«, sagte Sirsim. Seine Nesselpodien zogen sich zurück. »Du bist dir der Schwierigkeit deiner Aufgabe bewusst?«, fragte er. »Gott Loap ist ein Meister der Tarnung.«
    »Ich bin ein Thanatologe.« Mit Hilfe des Zeremonienmantels ließ Turil seine Stimme in einem Frequenzbereich erklingen, der den Pilzwesen unangenehm sein musste. »Kein Todgeweihter, ob Gott oder nicht, vermag sich meinen Kräften zu entziehen.«
    Sirsim und seine Begleiter krochen davon, flohen in die Sicherheit der Kragenaufschläge ihrer karantikischen Träger. Sie reagierten so heftig, wie es Turil erhofft hatte. Turil lächelte still in sich hinein. Diesem abergläubischen Völkchen würde er ein Schauspiel präsentieren, das es niemals vergessen würde.

15 - ZERSTÖRUNG II
    Die Plattform Crass-C war groß. So groß, dass es drei Tage dauerte, mit Hilfe einer Körperkapsel von einem Ende zum anderen zu schweben.
    KarDonLanCe blähte sich auf und stieß sich ab. Die ins Vakuum ausgeschiedenen Silikatreste verklumpten augenblicklich und trieben langsam weg. Sie wurden von Längsreihen des Schwerkraftgitters angesogen, die die Plattform umgaben. Irgendwann würden sie wieder in den Nahrungsmittelkreislauf gelangen.
    Wasserstoffwolken wuchsen weit voraus den Sternen entgegen und erstarrten in der Eiseskälte des Leerraums. Ein Netzschiff der Ramaischen Treiber dockte soeben an. Sicherlich hatten sie veredeltes Biosynth geladen, um es hier, an einer der bedeutendsten Handelsbörsen des Benta-Kordons, dem Meistbietenden zu verkaufen. KarDonLanCe mochte die Treiberlinge nicht. Sie waren hochnäsig, sie kannten keinerlei Respekt und sie knauserten mit dem Arbeitsgeld.
    Mehrere gefüllte Paternoster-Reihen glitten in völliger Lautlosigkeit nach oben und versperrten ihm die Sicht auf das Landegelände der Plattform. Der Positiv-Bereich, seine Seite von Crass-C, hatte derzeit ein kleines Übergewicht im Handelsvolumen aufzuweisen. Das würde sich rasch
ändern, wenn KarDonLanCe sich nicht ranhielt. Sobald die Wartezeiten zu lange wurden, wechselten Käufer und Krämer zur Negativ-Seite der Plattform. Er musste die Wartelisten so kurz wie möglich halten, um in den Genuss einer erhöhten Prämie zu gelangen.
    Beiläufig betätigte er einen weiteren Silikatausstoß, den 646. Kirikit der heutigen Schicht. Er hatte nur noch 132 Ausscheidungsvorgänge vor sich, dann war das Ende seiner körperlichen Belastbarkeit erreicht und er durfte die Schicht beenden. Er würde sich in das Kristall-Amalgamat seines Ruheraums zurückziehen, sich zusammenfalten und mit Hilfe des Halsgeweihs eingraben, das Ruhemittel auf die Schlafhumusschicht streuen und endlich in die verdiente Wärmestarre fallen. Vielleicht würde er zuvor einen kurzen Abstecher zu Zafirels Kneipe machen. Der Drogenbeauftragte der Positiv-Plattform würde ihm sicherlich eine Dosis Kulp verabreichen. Er hatte das Kontingent seiner letzten Achterschicht noch längst nicht aufgebraucht. Das Besitzer-Konsortium der Plattform legte großen Wert darauf, dass die schwer arbeitende Belegschaft zufrieden war und zu ihrem Vergnügen kam. Mit ein wenig Kulp hinter den Sinnesflossen würde er wie ein Säugling schlafen und ausreichend qualitative Silikatschlacke aufnehmen, so dass er während der nächsten Schicht nicht wieder unter diesen unruhigen Ausstoßblähungen leiden musste.
    KarDonLanCe steuerte seine Körperkapsel und den Schwebekran in Richtung Quadrant X9 und scannte die Reihen der Lagercontainer von oben bis unten durch. Die beiden Behälter, die er benötigte, befanden sich an schwer zugänglichen Positionen. Er akzeptierte den Mehraufwand mit der für seinen Beruf notwendigen Gelassenheit. Er würde an dem Plattform-Chaos zeit seines Lebens nichts
mehr ändern können, und es interessierte ihn auch längst nicht mehr. Irgendwo im Quadranten CC4 lagerte sein eigener Container, zu fünf Sechstel mit Silikatsalzen gefüllt. Sobald er ihn voll hatte, würde er

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