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Turils Reise

Turils Reise

Titel: Turils Reise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marcus Thurner
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Nicht um einen Fluchtversuch zu wagen, nein! Er wollte bloß weg von dieser um ihr Leben winselnden Bande von Ungläubigen. Links und rechts, oben und unten nahm das Zerstörungswerk der Kitar seinen Fortgang. Mit Hilfe ihrer unheimlichen Waffensysteme zerteilten sie die Plattformen, die Vertikalschächte, die Hebekräne, die Löschrobber, die Netzroboter des Schwerkraftgitters. Kleine und kleinste Systemeinheiten mussten daran glauben - nur er blieb auf mysteriöse Art und Weise von der Vernichtung verschont. Irgendwie glitt er samt seinem Gefährt durch das Chaos, ohne diese Bewegung bewusst zu steuern.
    KarDonLanCes Leben endete also heute. Gut. Er war ausreichend auf diese Augenblicke vorbereitet. Der Charninker reflektierte ein letztes Mal die Lehren der Betbrüder der Apokalyxe. Ihrer Meinung nach war der Kahlsack nichts anderes als eine überdimensionierte Petrischale, in der höhere Wesen ihre Experimente durchführten. Vielleicht hatten sie vor geraumer Zeit ein Virus angesetzt, das »Kitar« hieß, um die Widerstandskraft der ansässigen Völker-Mikroben auszutesten. So wie es schien, hatten sie den unheimlichen Gegnern nichts entgegenzusetzen. Weil jedermann
auf sein eigenes Halsgeweih sah und sich nicht darum kümmerte, was mit seinem Nachbarn geschah. Also würden sie sterben, sie alle.
    KarDonLanCe fand das allegorische Bild einer Petrischale samt Inhalt schaurig-schön. Es verdeutlichte ihm seine eigene Bedeutungslosigkeit. Er war ein Nichts, genauso wie alle anderen Bewohner des Kahlsacks, und es blieb völlig einerlei, ob jemand ein bedeutsamer Mann war oder das minderwertigste Geschöpf des versifftesten Planeten. Letztendlich würden sie alle in der Schwärze des Todes versinken. Der Tod, er machte sie alle gleich.
    KarDonLanCe löste nun doch die Maulsperre und begann ein Lied der untersten Heimatschichten zu singen. Unter ihm brachen die metallenen Strukturen von Crass-C weg, von den unheimlichen Waffensystemen der Kitar zerfetzt. Tausende kleine Pünktchen glitten davon. Container, deren Warenwert dem Bruttosozialprodukt kleinerer Planeten entsprach, wurden hier und jetzt unwiederbringlich zerstört. KarDonLanCe hegte einen irrwitzigen Wunsch: Nur zu gerne wäre er stiller Zaungast bei einer der großen Handelsbörsen gewesen und hätte zugesehen, wie all diese Mechanismen, die Reichtum und Gier einiger weniger befriedigten, ihre Wirksamkeit verloren. Panik würde ausbrechen, Reichtum und Hochmut würden sich im Nichts auflösen.
    KarDonLanCe sah ein Schiff der Kitar auf Crass-C landen. Es war quaderförmig, und er fand es wunderschön. Sobald es mit dem Metall der Plattform in Berührung kam, dort, wo ehemals der Wurmfortsatz der Weißkuppel angebracht gewesen war, fiel es in sich zusammen, wurde zweidimensional. Der Raumer lag da, einem Quecksilberschmelz nicht unähnlich, wie er die Kuppen der heimatlichen
Eisgebirge in den untersten Planetenregionen bedeckte. Er reflektierte das Licht der Sterne in einer Brillanz, wie es der Charninker niemals zuvor gesehen hatte. Das Kitar-Schiff bedeckte nun fast ein Zehntel der Gesamtfläche von Crass-C, und es schien sich durch den metallenen Korpus fressen zu wollen. Vereinzelt lösten sich winzige Tröpfchen aus dem zweidimensionalen Schiff. Sie wurden zu Lebewesen, zu scheinbar winzigen Geschöpfen, die über die Plattform eilten und blindlings alles zerstörten.
    Kitar. So wurden sie also geboren. So begannen die Viren der Petrischale Kahlsack zu existieren.
    Seltsam, dass KarDonLanCe noch lebte, während sich ringsum alles in Schutt und Asche auflöste. Irgendjemand hielt seine schützende Hand über ihn, damit er Augenzeuge dieses gigantischen Vernichtungsfeldzuges der Kitar werden konnte.
    Auf den Funkfrequenzen wurde es stiller, die panischen Rufe, die Gebete und die Bitten um Gnade wurden zu einem Tröpfeln inmitten der Stille, um schließlich ganz zu enden.
    Die Reste der Plattform drehten sich nach wie vor. Miteinander, gegeneinander. Irgendwelche Gravitationsvektorale funktionierten noch; sie erzeugten gewaltige Zug-und Schubkräfte, die das riesige Gebilde endgültig auseinanderbrechen ließen. Das gelandete Kitar-Schiff löste sich elegant, ohne auch nur für einen Augenblick in Gefahr zu geraten. Während des Startmanövers gewann es an Dreidimensionalität und wurde wieder zum Quader. Es gesellte sich zu dreißig anderen Schiffseinheiten, die soeben die letzten Raumer der Wächterflotte aufbrachten. Neue Explosionsblumen entstanden, und

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