Turils Reise
Sinneswarze Karkarkars an. »Es können jederzeit Stürme aufziehen. Ich muss weiter, muss weg von hier. Bezahl mich, damit ich diesen Ort verlassen kann.«
»Sobald ich den Boden des Götterberges berührt habe.«
»Dein Misstrauen ist beschämend, Totengräber. Du solltest wissen, wozu ich fähig bin und wozu nicht.«
»Eben. Du erhältst deinen Lohn, sobald ich unten bin.«
Ein Nesselarm schlängelte sich näher. Seine Spitze glänzte feucht. Turil machte ein paar Schritte auf sie zu. Sie packte ihn und riss ihn einen Augenblick später über Bord. Tiefer und tiefer glitt der Thanatologe, mit zunehmender Geschwindigkeit, um knapp über der steinigen Oberfläche mit einem Ruck abgebremst zu werden.
Turil wusste, dass er keinen Moment in Gefahr gewesen war. Der Zeremonienmantel hätte ihn vor einem Absturz bewahrt. Und dennoch fühlte er Erleichterung, als er seine Füße auf den staubigen Boden setzte.
Er bestätigte die Überweisung an Karkarkar und sah zu, wie dieses Riesenwesen, dem auf Faurum kaum jemand etwas anhaben konnte, gleich darauf mit hoher Geschwindigkeit flüchtete.
Aus dem Schatten eines großen Felsklotzes näherten sich mehrere in Lumpen gehüllte Karantiker. Sie hoppelten im Gleichschritt und gaben bei jedem Sprung einen tiefen Brummton von sich. In den Gesichtern zeigte sich, soweit es Turil beurteilen konnte, religiöse Verzückung.
»Du bist der Totengräber«, sangen sie im Chor, »du wirst uns von Gott Loap erlösen.«
»Ja.«
Die Karantiker warfen sich zu Boden und pressten ihre Gesichter tief in den Staub. Aus den Kapuzen lösten sich
kleine Oroptiker mit nur mangelhaft ausgebildeten Kriecharmen, aber umso breiteren Lamellenkörpern. Schwerfällig krochen sie Turil entgegen.
»Die GELFAR hat uns dein Kommen bereits gestern angekündigt«, krächzte der vorderste Pilzabkömmling. »Du wurdest von diesem Ungläubigen, diesem Karkarkar aufgehalten?«
»Nein. Ich wollte mir ein Bild von eurer Welt machen, bevor ich das Zeremoniell vollführe.«
»Dann ist es gut.« Der Oroptiker wechselte unvermittelt das Thema. »Ist diese Trockenheit nicht schrecklich? Der Dschungel leidet, wir leiden, ganz Faurum leidet. Unsere Beinchen verkümmern und verholzen, weil wir nicht mehr genügend Feuchtigkeit aufnehmen können. Sieh uns an! Kaum einer von uns schafft es nach der Versporung in die Lüfte zu gleiten, um in den Regenwolken weiterzuwachsen! Wir bleiben bodengebunden und sind auf die Hilfsdienste dieser nichtsnutzigen Geschöpfe angewiesen.« Einer der Arme deutete auf die nach wie vor im Staub liegenden Karantiker. »Es ist an der Zeit, dass wir Loap verstoßen und einen neuen Gott suchen, der uns mehr Glück bringt.«
»Wie heißt du, Oroptiker?«
»Ich bin Sirsim, Verwalter der Götter«, meinte Turils Gegenüber ehrerbietig. »Ich sammle, katalogisiere und kategorisiere alle höheren Wesen, die sich auf dem Heiligen Berg versammelt haben.«
»Du bist berechtigt, mir mein Honorar auszuzahlen, sobald ich meine Arbeit erledigt habe?«
»Sofern du Gott Loap ausfindig machst und ihn zur Rechenschaft ziehst.«
»Sind Priester anwesend, die mir beim Tötungszeremoniell
behilflich sein können?« Turil ahnte die Antwort; doch er wollte sie aus dem »Mund« des Eingeborenen hören.
Die Oroptiker krochen aufeinander zu, wohl um sich zu beraten. »Die Priester mischen sich in unsere Belange nur selten ein«, sagte schließlich derselbe Pilz wie zuvor. »Sie erlassen Bestimmungen oder stellen Forderungen, aber sie treten kaum einmal öffentlich in Erscheinung.«
»Hattest du schon jemals Kontakt mit einem Priester?«
»N…nein.«
Ich messe mindestens fünfzehn verschiedene Energiequellen an, die über den Götterberg verteilt sind, meldete der Zeremonienmantel. Die meisten von ihnen sind recht gut getarnt, doch keinesfalls modernen Anforderungen entsprechend.
Was verbirgt sich hinter diesen Energiequellen?, dachte Turil angestrengt.
Ich vermute, dass es sich um Beobachtungsstationen handelt. Vielleicht aber auch um Projektionsstätten; zumindest lassen diverse energetische Muster auf ein Netzwerk schlie- ßen, das den Götterberg umfasst.
Alles deutete neuerlich auf ARMIDORN hin, beziehungsweise auf Kix Karambui. Kein Wunder: Glaube und Aberglaube waren wunderbare Vehikel, um Völkergemeinschaften zu steuern und zu beeinflussen.
»Ich werde heute und morgen meditieren und während der darauffolgenden Nachtstunden Gott Loap ausfindig machen«, verkündete Turil laut, mit in einer
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