Turm der Hexer
sein, als ob die Jahreszeiten es kaum berührten. Der Wind, der vom Polarkreis kam, hatte noch den Geruch des Winters an sich.
Silk ritt schweigend, die Augen zu Boden gerichtet, ob nun aus Kummer oder wegen der Nachwirkungen des Biers, konnte Garion nicht sagen. Belgarath war ebenfalls still, so daß ihr Ritt nur vom Klang der Glöckchen begleitet wurde, die der Maulesel eines drasnischen Kaufmanns am Geschirr trug. Gegen Mittag schüttelte sich Silk und sah sich um. Seine Augen waren zwar noch blutunterlaufen, aber wach. »Hat jemand an etwas zu trinken gedacht?« fragte er.
»Hattest du gestern abend nicht genug?« entgegnete Belgarath.
»Das war Vergnügen. Jetzt brauche ich etwas Therapeutisches.«
»Wasser?« schlug Garion von.
»Ich bin durstig, Garion, nicht schmutzig.«
»Hier.« Belgarath reichte dem verkaterten Mann einen Weinschlauch.
»Aber übertreib es nicht.«
»Vertrau mir«, sagte Silk und nahm einen langen Schluck. Er schüttelte sich und verzog das Gesicht. »Wo hast du den gekauft?« fragte er. »Schmeckt, als ob man Schuhe darin gekocht hätte.«
»Du mußt es ja nicht trinken.«
»Ich fürchte doch.« Silk nahm noch einen Schluck, dann stöpselte er den Schlauch zu und gab ihn zurück. Er blickte verdrossen auf den Sumpf. »Hat sich nicht viel verändert«, stellte er fest. »Drasnien hat nur wenige angenehme Seiten, fürchte ich. Entweder ist es zu trocken oder zu naß.« Er zitterte in dem kalten Wind. »Ist sich einer von euch der Tatsache bewußt, daß zwischen uns und dem Pol nichts ist, was den Wind abhalten könnte, außer hin und wieder einem Rentier?«
Garion entspannte sich langsam. Silks Bemerkungen und Sticheleien wurden im Laufe des Nachmittags immer spitzer. Als die Karawane für die Nacht hielt, war er fast wieder er selbst.
21
D ie Karawane wand sich langsam durch die trostlosen Moore Ostdrasniens, gefolgt von dem traurigen Klang der Mauleselglocken. Spärliches Heidekraut, das nun endlich doch noch winzige, rosa Blüten zeigte, wuchs auf den sanften Hängen. Der Himmel hatte sich bewölkt, und der anscheinend unablässige Wind blies stetig von Norden.
Garions Stimmung wurde allmählich so traurig und düster wie die Landschaft. Es war eine unabänderliche Tatsache, vor der er sich nicht länger verstecken konnte. Jede Meile, jeder Schritt, brachte ihn Mallorea und seiner Begegnung mit Torak näher. Selbst das wispernde Lied des Auges, das ständig vom Knauf des großen Schwertes, das auf seinem Rücken hing, in seinen Ohren murmelte, konnte ihn nicht trösten. Torak war ein Gott unbesiegbar, unsterblich und Garion, nicht einmal ganz erwachsen, zog freiwillig nach Mallorea, um ihn zu suchen und auf Leben und Tod mit ihm zu kämpfen. Tod war ein Wort, das Garion verzweifelt aus seinen Gedanken fernzuhalten versuchte. Ein- oder zweimal während ihrer langen Jagd nach Zedar und dem Auge hatte er ihm ins Gesicht geblickt, aber jetzt schien er zur Gewißheit zu werden. Er würde Torak allein gegenüberstehen. Weder Mandorallen noch Barak noch Hettar konnten ihm mit ihrer Fechtkunst zu Hilfe kommen weder Belgarath noch Tante Pol konnten mit Zauberei für ihn eintreten Silk konnte sich keinen listigen Plan ausdenken, der ihm ein Entkommen ermöglichte. Riesenhaft und zornig würde der Dunkle Gott auf ihn losstürmen und nach Blut schreien. Garion begann den Schlaf zu fürchten, denn er brachte ihm Alpträume, die nicht enden wollten und ihn auch bei Tage verfolgten, so daß jeder Tag schlimmer war als der vergangene.
Er hatte Angst. Die Furcht wuchs mit jedem Tag, bis er ihren bitteren Geschmack ständig im Mund verspürte. Er wollte nur noch davonlaufen, aber er wußte, daß das nicht ging. Außerdem wußte er keinen Ort, wo er hätte hinlaufen können. Auf der ganzen Welt gab es kein Versteck für ihn. Die Götter selbst würden ihn suchen, wenn er es versuchte, und ihn eisern zu dieser schrecklichen Auseinandersetzung drängen, die das Schicksal seit Anbeginn der Zeit vorgeschrieben hatte. Und so ritt Garion, krank vor Angst, seinem Schicksal entgegen.
Belgarath, der keineswegs immer schlief, wenn er in seinem Sattel zu dösen schien, beobachtete Garion aufmerksam, bis seine Angst ihren Gipfel erreicht hatte. Erst dann sprach er. An einem bewölkten Vormittag, als der bleigraue Himmel ebenso trostlos war wie das Moor, lenkte er sein Pferd neben Garion.
»Möchtest du darüber reden?« fragte er ruhig.
»Wozu, Großvater?«
»Vielleicht hilft es.«
»Nichts kann
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