Turm der Hexer
denken. In ihrer hellgrünen Lieblingstunika saß sie dort, kaute wütend auf einer unschuldigen Locke herum und sprach ausführlich über die Treulosigkeit der Männer auf die geduldige Adara ein.
Am Nachmittag wurden sie dort von Königin Layla von Sendarien gefunden. »Ach hier bist du«, sagte die mollige kleine Königin. Ihre Krone saß wie immer etwas schief. »Wir suchen dich schon überall.«
»Warum?« lautete Ce’Nedras recht ungnädige Antwort.
Königin Layla blieb stehen und betrachtete die Prinzessin kritisch.
»Je«, meinte sie, »wir sind heute aber verdrießlich, was? Wo liegt dein Problem, Ce’Nedra? In den letzten Tagen bist du nicht sehr höflich gewesen.«
Ce’Nedra fing den warnenden Blick auf, den Adara der Königin zuwarf, und das reizte sie nur noch mehr. Ihre Antwort war kühl. »Ich finde die Erfahrung, sitzengelassen zu werden, etwas ärgerlich, Eure Hoheit«, sagte sie.
Königin Laylas freundliches Gesicht wurde plötzlich streng. »Würdest du uns entschuldigen, Adara?«
»Natürlich, Eure Hoheit«, erwiderte Adara rasch und erhob sich.
»Ich warte drinnen, Ce’Nedra«, sagte sie und verließ anmutig den Garten.
Königin Layla wartete, bis das Mädchen außer Hörweite war, dann ließ sie sich auf einer Marmorbank nieder. »Komm her, Ce’Nedra«, sagte sie bestimmt.
Die Prinzessin betrachtete die mütterliche kleine Frau. Sie war zwar etwas erstaunt über den stählernen Ton, ging jedoch gehorsam zu der Bank und setzte sich.
»Du mußt endlich aufhören, jedes Ereignis der Welt als persönliche Beleidigung aufzufassen«, sagte Layla. »Was Garion, Belgarath und Kheldar getan haben, hat nicht das geringste mit dir zu tun.« Sie sah Ce’Nedra streng an. »Weißt du überhaupt irgend etwas über die Prophezeiung?«
»Ich habe davon gehört«, schmollte Ce’Nedra. »Aber Tolnedrer glauben nicht an so etwas.«
»Vielleicht liegt da das Problem«, meinte Layla. »Ich möchte, daß du mir gut zuhörst, Ce’Nedra. Du magst es nicht glauben wollen, aber du wirst es begreifen.« Die Königin dachte einen Augenblick nach. »Die Prophezeiung sagt ganz klar, daß Torak erwacht, wenn der Rivanische König zurückkehrt.«
»Torak? Unsinn, Torak ist tot.«
»Unterbrich mich nicht«, rügte Layla sie. »Du bist all die Zeit mit ihnen gereist und verstehst es immer noch nicht? Für ein Mädchen, das so klug wirkt, bist du bemerkenswert dumm.«
Ce’Nedra wurde rot.
»Torak ist ein Gott, Ce’Nedra«, fuhr Layla fort. »Er schläft, er ist nicht tot. Er ist in Vo Mimbre nicht gefallen, auch wenn manche Leute dies nur zu gern glauben würden. In dem Moment, als Garion das Auge berührte, begann Torak unruhig zu werden. Hast du dich nie gefragt, warum Polgara darauf bestand, daß Botschaft das Auge von Rak Cthol hierher trug? Du weißt doch, daß Garion es ebensogut hätte tun können.«
Daran hatte Ce’Nedra nie gedacht.
»Aber wenn Garion es berührt hätte auf angarakanischem Boden und ohne sein Schwert –, hätte Torak losstürmen und ihn sofort jagen können, und Garion wäre getötet worden.«
»Getötet?« hauchte Ce’Nedra.
»Selbstverständlich, Kind. Darum dreht sich doch alles. Die Prophezeiung sagt, daß Torak und der Rivanische König sich gegenüberstehen werden und daß ihr Kampf das Schicksal der Menschheit entscheidet.«
»Garion?« rief Ce’Nedra. »Das kann doch nicht dein Ernst sein.«
»Ich war nie im Leben ernster, Kind. Garion muß mit Torak kämpfen bis zum Tode –, um das Schicksal der Welt zu entscheiden. Verstehst du jetzt? Deshalb haben Belgarath, Kheldar und Garion Riva so plötzlich verlassen. Sie sind auf dem Weg nach Mallorea, damit Garion mit Torak kämpfen kann. Er hätte auch eine Armee mitnehmen können, aber er wußte, daß dies nur unnütz Menschenleben kosten würde. Deswegen sind die drei allein gegangen. Meinst du nicht auch, daß es jetzt an der Zeit für dich ist, erwachsen zu werden?«
Nach dem Gespräch mit Königin Layla war Ce’Nedra sehr niedergeschlagen. Vielleicht zum erstenmal in ihrem Leben dachte sie mehr an einen anderen Menschen als an sich selbst. Sie sorgte sich ständig um Garion, und des Nachts hatte sie schreckliche Alpträume von den furchtbaren Dingen, die ihm zustoßen mochten.
Um alles noch schlimmer zu machen, hatte sie ein dauerndes Summen in den Ohren, das sie manchmal fast wahnsinnig machte.
Es war, als ob sie aus großer Entfernung Stimmen hörte, Stimmen, die fast verständlich waren, aber niemals
Weitere Kostenlose Bücher