Turm der Hexer
ganz. Das Summen, gepaart mit ihrer Angst um Garion, machte sie launisch und sehr reizbar. Selbst Adara begann sie zu meiden.
Das aufreizende Geräusch in ihren Ohren hatte sie schon einige Tage, ehe sie, durch reinen Zufall, seine Bedeutung entdeckte. Das Wetter auf der Insel der Winde war nie sehr gut, und der Frühling war eine besonders unberechenbare Jahreszeit. Eine Reihe von Stürmen peitschte die felsige Küste, und Regenbögen fegten über die Insel und die Stadt. An einem düsteren, regnerischen Morgen saß die Prinzessin in ihrem Zimmer und blickte verdrossen in den nassen Garten hinaus. Das Feuer, das im Kamin knisterte, trug nur wenig zur Hebung ihrer Stimmung bei. Nach, einer Weile seufzte sie, und da sie nichts Besseres zu tun hatte, setzte sie sich an ihren Frisiertisch und begann, ihr Haar zu bürsten.
Das silberne Aufflackern an ihrem Hals lenkte ihre Augen sofort ab, als sie sich im Spiegel betrachtete. Es war das Medaillon, das Garion ihr am Tag nach ihrem Geburtstag geschenkt hatte. Sie hatte sich inzwischen an sein Vorhandensein gewöhnt, obgleich die Tatsache, daß sie es nicht abnehmen konnte, immer noch für gelegentliche Wutanfälle sorgte. Ohne zu überlegen, hörte sie auf sich zu bürsten und berührte das Amulett mit den Fingerspitzen.
»… aber wir können nichts tun, bis die Arendier und Tolnedrer mobilisiert sind.« Das war die Stimme König Rhodars von Drasnien. Ce’Nedra fuhr zusammen und drehte sich rasch um, voller Entsetzen, weshalb der dicke König wohl ihr Zimmer betreten hatte. Sobald sie die Finger von dem Amulett nahm, brach die Stimme ab. Ce’Nedra blickte sich verdutzt um. Sie runzelte die Stirn und berührte das Amulett noch einmal. »Nein, nein«, sagte eine andere Stimme, »man gibt die Gewürze erst hinein, wenn es kocht.« Wieder nahm Ce’Nedra die Fingerspitzen von dem Talisman, und die Stimme brach abrupt ab. Fasziniert faßte sie es ein drittes Mal an. »Du machst das Bett, und ich räume auf. Wir müssen uns beeilen. Die Königin von Cherek kann jeden Augenblick zurückkommen.«
Verwundert berührte die Prinzessin das Amulett wieder und wieder und streifte dabei die verschiedensten Gespräche in der Zitadelle.
»Das Feuer ist zu heiß. Das Eisen wird alles versengen, was es berührt.«
Dann hörte sie ein Stück eines geflüsterten Zwiegesprächs. »Was, wenn jemand kommt?« die Stimme eines Mädchens.
»Niemand wird kommen.« Die Stimme eines jungen Mannes, der da antwortete, war schmeichelnd. »Wir haben es hier sicher und gemütlich, und ich liebe dich wirklich.«
Ce’Nedra riß die Finger von dem Amulett, feuerrot im Gesicht. Zuerst gab es keine Richtung, kein Ziel, aber als die Prinzessin weiter experimentierte, lernte sie allmählich, dieses seltsame Phänomen zu steuern. Nach ein paar Stunden angestrengter Konzentration fand sie heraus, daß sie schnell in alle Gespräche in einem bestimmten Teil der Zitadelle hineinhören konnte, bis sie etwas fand, das sie interessierte. Im folgenden lernte sie viele Geheimnisse kennen, einige sehr interessante, einige unschöne. Sie wußte, daß sie sich eigentlich wegen ihrer Lauscherei schämen sollte, aber aus irgendeinem Grund tat sie es nicht.
»Eure Überlegung ist wohldurchdacht, Eure Majestät.«. Das war Mandorallens Stimme. »König Korodullin ist dieser Sache verpflichtet, doch wird er einige Wochen benötigen, um die Streitkräfte Arendiens zu den Waffen zu rufen. Unser Hauptanliegen muß die Haltung sein, die der Kaiser in dieser Angelegenheit annehmen wird.«
»Ran Borune bleibt keine Wahl«, erklärte König Anheg. »Er ist durch die Bestimmungen des Vertrages von Vo Mimbre gebunden.«
Brand, der Rivanische Hüter, räusperte sich. »Ich glaube nicht, daß es so einfach ist, Eure Majestät«, sagte er. »Der Vertrag besagt, daß die Königreiche des Westens dem Ruf des Rivanischen Königs folgen müssen, und Belgarion ist nicht hier, um diesen Ruf auszusprechen.«
»Wir handeln an seiner Statt«, machte König Cho-Hag geltend.
»Das Problem besteht darin, Ran Borune davon zu überzeugen«, erklärte Rhodar. »Ich kenne die Tolnedrer. Sie werden ganze Bataillone von Rechtsgelehrten den Vertrag durcharbeiten lassen. Solange Belgarion Ran Borune nicht von Angesicht zu Angesicht gegenübersteht und seinen Befehl persönlich äußert, wird sich der Kaiser auf den Standpunkt stellen, daß er rein juristisch nicht verpflichtet ist, sich uns anzuschließen. Der Rivanische König ist der einzige,
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