Turm der Hexer
der ihn zu den Waffen rufen kann!«
Ce’Nedra ließ ihre Finger von dem Amulett gleiten. Eine Idee keimte in ihr. Es war eine aufregende Idee, aber sie war nicht ganz sicher, ob sie sie durchführen konnte. Sie wußte, daß Alorner stur und nur ungern bereit waren, neue Ideen zu akzeptieren. Sie legte ihre Haarbürste beiseite und ging zu einer kleinen Truhe, die neben dem Fenster an der Wand stand. Sie hob den Deckel und durchsuchte sie. Nach einem Augenblick schon hatte sie das fest zusammengerollte Pergament gefunden, das sie suchte. Sie rollte es auf und überflog es, bis sie die Stelle gefunden hatte, die sie meinte. Sie las sie ein paarmal gründlich durch. Es schien genau das zu bedeuten, was sie gehofft hatte.
Den Rest des Tages überdachte sie ihre Idee. Die Wahrscheinlichkeit, daß jemand Garion einholen und aufhalten konnte, war sehr gering, wenn überhaupt vorhanden. Belgarath und Prinz Kheldar waren zu geschickt, als daß man sie leicht hätte fangen können. Sie zu jagen war lediglich Zeitverschwendung. Da Polgara noch nicht wieder vernünftig genug war, die Dinge in diesem Licht zu sehen, fiel es Ce’Nedra zu, sofort Schritte einzuleiten, um die Gefahr für Garion so gering wie möglich zu halten, wenn er die Länder der Angarakaner betreten hatte. Sie mußte nur die alornischen Könige davon überzeugen, daß logischerweise sie diejenige war, die diese Schritte zu unternehmen hatte.
Am nächsten Morgen regnete es immer noch, als sie schon früh aufstand und ihre Vorbereitungen traf. Sie mußte selbstverständlich ausgesprochen königlich wirken. Ihre Wahl eines smaragdgrünen Samtkleides mit passendem Umhang war gut überlegt. Sie wußte, daß ihr Grün besonders gut stand, und ihr Stirnreif aus goldenen Eichenblättern war einer Krone ähnlich genug, um die richtige Vorstellung zu vermitteln. Sie war froh, daß sie bis zum Morgen gewartet hatte. Mit Männern wurde man morgens leichter fertig, wie sie festgestellt hatte. Zuerst würden sie natürlich gegen sie sein. Aus diesem Grund wollte sie ihnen die Idee einpflanzen, ehe sie völlig wach waren. Als sie dem hohen Spiegel ihres Ankleidezimmers einen letzten, prüfenden Blick zuwarf, reckte sie sich entschlossen und hielt sich alle möglichen Gegenargumente noch einmal vor. Dem geringsten Einwand mußte sofort entgegengetreten werden. Sorgsam versetzte sie sich in eine kaiserliche Haltung, nahm das Pergament und ging zur Tür.
Das Ratszimmer, in dem sich die alornischen Könige im allgemeinen versammelten, war ein großer Raum hoch oben in einem der Türme der Zitadelle. Die Decke wurde von schweren Balken getragen, auf dem Boden lag ein tief brauner Teppich, und an einem Ende war ein Kamin, so groß, daß man darin stehen konnte. Braune Vorhänge hingen an den Fenstern, durch die man in den Regen hinaussah, der gegen die massiven Mauern des Turms prasselte. Die Wände des Zimmers waren mit Landkarten bedeckt, und auf dem großen Tisch waren zwischen Bierkrügen viele Pergamente verstreut. König Anheg, in seiner blauen Robe und der verbeulten Krone, rekelte sich in dem Stuhl, der der Tür am nächsten war, zottig und wüst aussehend wie immer. König Rhodar trug seinen riesigen, roten Mantel, aber die anderen Könige und Generäle trugen schlichte Kleidung. Ce’Nedra betrat den Raum, ohne anzuklopfen, und sah die verwirrten Männer herrisch an, die hastig aufstanden.
»Hoheit«, begann König Rhodar mit einer behäbigen Verbeugung.
»Ihr ehrt uns mit Eurer Gegenwart. Was ist –«
»Eure Majestät«, erwiderte sie mit einem kleinen Knicks, »meine Herren. Ich brauche euren Rat in einer Staatsangelegenheit.«
»Wir stehen zur Verfügung, Hoheit«, antwortete König Rhodar mit einem listigen Augenzwinkern.
»In Abwesenheit König Belgarions scheint mir, daß ich an seiner Statt handeln muß«, verkündete Ce’Nedra, »und ich brauche euren Rat bei der Wahl der Vorgehensweise. Ich möchte, daß die Übergabe der Staatsmacht in meine Hände so glatt wie möglich vonstatten geht.«
Alle starrten sie ungläubig an.
König Rhodar gewann zuerst seine Fassung wieder. »Ein interessanter Vorschlag, Hoheit«, murmelte er höflich. »Wir haben jedoch andere Arrangements getroffen. Es gibt eine lange Reihe von ähnlichen Fällen dieser Art. Trotzdem danken wir für das freundliche Angebot.«
»Es war eigentlich kein Angebot, Majestät«, widersprach Ce’Nedra, »und alle ähnlichen Fälle sind hier ohne Belang.«
König Anheg stammelte
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