Turm der Hexer
unbeladenen Pferde konnten sich viel rascher bewegen, und sie kamen recht zügig auch über Stellen voran, an die sich Garion von dem Aufstieg vor einigen Wochen noch schmerzlich erinnerte. Gegen Mittag hatten sie etwa die Hälfte geschafft.
Dann blieb Polgara stehen und sah nach oben. »Vater«, sagte sie ruhig. »Sie haben die Mündung der Schlucht gefunden.«
»Wie viele sind es?«
»Es ist eine Vorhut nicht mehr als zwanzig.«
Hoch über sich hörten sie das heftige Krachen von Fels auf Fels, dann, nach einem Moment, noch einmal. »Das hatte ich befürchtet«, sagte Belgarath verdrießlich.
»Was?« fragte Garion.
»Sie rollen Steine auf uns herunter.« Der alte Mann zog grimmig seinen Gürtel zurecht. »Na schön. Ihr geht vor. Steigt so schnell ab, wie ihr könnt.«
»Bist du stark genug, Vater?« fragte Tante Pol besorgt. »Du weißt, daß du noch nicht ganz wiederhergestellt bist.«
»Das werden wir schon sehen«, sagte der alte Mann mit unbewegtem Gesicht. »Geht alle.« Er sprach in einem Ton, der jede weitere Diskussion verbot.
Während sie über den steilen Hang abwärts kletterten, blieb Garion mehr und mehr zurück. Schließlich, als Durnik das letzte Packpferd über ein Schotterstück und um eine Biegung geführt hatte, blieb Garion stehen und lauschte. Er konnte das Klappern und Gleiten von Hufen auf Fels von unten hören, und das Krachen und Poltern eines Felsbrockens, der durch die Schlucht kollerte und immer näher kam, von oben. Dann spürte er die vertraute Woge und das Dröhnen. Ein Steinbrocken, etwas mehr als kopfgroß, schoß über ihn hinweg und flog dann in scharfem Bogen aus der Schlucht und fiel harmlos weit draußen auf den Schotterstreifen am Fuß der Klippe. Vorsichtig kletterte Garion die Schlucht wieder hinauf, blieb aber oft stehen, um zu lauschen.
Belgarath schwitzte, als Garion ein gutes Stück höher um eine Biegung kam. Er duckte sich, so daß der alte Mann ihn nicht sehen konnte. Ein weiterer Stein, etwas größer als der erste, polterte durch die enge Schlucht und sprang und hüpfte jedesmal, wenn er auf dem felsigen Flußbett auftraf. Etwa zehn Meter oberhalb von Belgarath sprang er kräftig hoch und drehte sich in der Luft. Der alte Mann machte eine gereizte Geste, grunzte vor Anstrengung, und der Stein segelte in weitem Bogen aus der Schlucht und fiel in den Abgrund.
Garion durchquerte rasch das Flußbett und kletterte wieder einige Meter tiefer. Dabei hielt er sich dicht an der Wand und spähte über die Schulter, um sicherzugehen, daß sein Großvater ihn nicht sehen konnte.
Als der nächste Stein angepoltert kam, sammelte Garion seinen Willen. Er wußte, daß er den Zeitpunkt ganz exakt abpassen mußte, sah vorsichtig um eine Ecke und beobachtete den alten Mann angespannt. Als Belgarath seine Hand hob, ließ Garion seinen Willen los, um sich mit dem seines Großvaters zu verbinden, in der Hoffnung, seine Hilfestellung bliebe so unbemerkt.
Belgarath sah zu, wie der Stein weit in die Ebene hinausflog, dann drehte er sich um und blickte streng in die Schlucht hinunter. »Also gut, Garion«, sagte er spitz, »komm ’raus, daß ich dich sehen kann.«
Etwas schüchtern ging Garion in die Mitte des Flußbettes und sah zu seinem Großvater. »Warum kannst du nie tun, was man dir sagt?« fragte der alte Mann.
»Ich dachte, ich könnte dir etwas helfen, das ist alles.«
»Habe ich um Hilfe gebeten? Sehe ich aus wie ein Invalide?«
»Da kommt wieder ein Stein.«
»Wechsle nicht das Thema. Ich finde, du nimmst dir zuviel heraus, junger Mann.«
»Großvater!« drängte Garion, den Blick auf den großen Felsbrokken gerichtet, der durch die Schlucht direkt auf den Rücken des alten Mannes zu polterte. Er brachte seinen Willen unter den Stein und schleuderte ihn in die Ebene hinaus.
Belgarath schaute hoch und sah den Stein über seinen Kopf sausen.
»Schlecht, Garion«, sagte er mißbilligend, »ganz schlecht. Du mußt sie doch nicht bis nach Prolgu werfen. Hör auf anzugeben.«
»Ich war aufgeregt«, entschuldigte Garion sich. »Ich habe etwas zu heftig gedrückt.«
Der alte Mann grunzte.
»Na schön«, sagte er etwas undankbar, »wenn du schon einmal hier bist aber halte dich an deine eigenen Steine. Ich kann mit meinen allein fertigwerden, und du bringst mich nur aus dem Gleichgewicht, wenn du so herumpfuschst.«
»Ich brauche nur etwas Übung.«
»Und etwas Unterricht in Benehmen«, sagte Belgarath, während er zu Garion hinabkletterte. »Man überfällt
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