Turm der Hexer
schien mit schillerndem Feuer zu flackern.
»Heil Belgarion«, sagte die Stimme in seinem Geist. »Gegrüßt seist du an diesem Erastide.« In der Stimme lag keine Spur der üblichen Belustigung, und die Förmlichkeit wirkte seltsam und bedeutungsvoll.
»Danke«, sagte Garion ernst. Dann sprachen sie nicht mehr.
Der Dampf stieg auf und waberte um ihn herum, als er zurück in die kühleren Regionen des Beckens watete, wo sich Silk und Lelldorin, bis zum Hals im warmen Wasser liegend, leise unterhielten.
Etwa eine halbe Stunde vor Mittag ging Garion auf Anweisung Tante Pols durch einen langen Flur, der zu einem Raum neben den riesigen, geschnitzten Türen zur Halle des Rivanischen Königs führte. Er trug seine beste Weste und Hose, und die weichen Lederhalbstiefel waren gebürstet worden, bis sie glänzten. Tante Pol trug ein tiefblaues Gewand mit Haube, das in der Taille gegürtet war. Und dieses eine Mal sah Belgarath, ebenfalls in Blau, nicht schmutzig oder fleckig aus. Das Gesicht des alten Mannes war sehr ernst, und als er mit Tante Pol sprach, war nichts von dem Gezänk zu hören, das ihre Unterhaltungen sonst öfter kennzeichnete. In einer Ecke des Raumes saß Botschaft, ganz in weißes Leinen gekleidet, und beobachtete sie aufmerksam.
»Du siehst sehr nett aus, Garion«, sagte Tante Pol und strich ihm das sandfarbene Haar aus der Stirn.
»Sollten wir nicht hineingehen?« fragte Garion. Er hatte andere, graugekleidete Rivaner und fröhlich gekleidete Besucher die Halle bereits betreten sehen.
»Bald, Garion«, sagte sie. »Alles zur rechten Zeit.« Sie wandte sich an Belgarath. »Wie lange noch?«
»Ungefähr eine Viertelstunde.«
»Ist alles bereit?«
»Frag Garion«, sagte der alte Mann. »Ich habe für alles gesorgt, so gut ich konnte. Der Rest hängt von ihm ab.«
Tante Pol wandte sich Garion zu, ihre Augen blickten sehr ernst, und die weiße Locke an ihrer Schläfe leuchtete silbern in ihrem dunklen Haar. »Nun, Garion«, fragte sie, »bist du bereit?«
Er sah sie verblüfft an. »Ich hatte letzte Nacht den merkwürdigsten Traum«, sagte er. »Jedermann stellte mir genau dieselbe Frage. Was bedeutet das, Tante Pol? Wofür soll ich bereit sein?«
»Das wird dir bald klarer werden«, sagte Belgarath. »Nimm dein Amulett heraus. Du wirst es heute über den Kleidern tragen.«
»Ich dachte, man sollte es nicht sehen.«
»Heute ist das anders«, erwiderte der alte Mann.
»Genauer gesagt, der heutige Tag ist anders als alle, die ich je gesehen habe und ich habe viele gesehen.«
»Weil Erastide ist?«
»Zum Teil.« Belgarath griff in sein Gewand und zog sein eigenes Silberamulett heraus. Er betrachtete es kurz. »Es ist etwas abgenutzt«, sagte er. Dann lächelte er. »Aber das bin ich wohl auch.«
Tante Pol zog ebenfalls ihr Amulett heraus. Sie und Belgarath ergriffen je eine Hand von Garion und nahmen sich dann auch bei den Händen.
»Es hat lange gedauert, Polgara«, sagte Belgarath.
»Ja, Vater.«
»Bedauerst du etwas?«
»Ich kann damit leben, Alter Wolf!«
»Dann laß uns hineingehen.« Garion ging auf die Tür zu.
»Du nicht, Garion«, sagte Tante Pol. »Du wartest mit Botschaft hier. Ihr beide kommt später nach.«
»Wirst du jemanden schicken, der uns holt?« fragte er. »Ich meine, woher sollen wir wissen, wenn wir reinkommen sollen?«
»Ihr werdet es wissen«, sagte Belgarath. Dann ließen sie ihn mit dem Kind allein.
»Sie haben uns keine besonders genauen Anweisungen gegeben, was?« sagte Garion zu dem Kind. »Ich hoffe, wir machen keine Fehler.«
Botschaft lächelte zuversichtlich und schob seine kleine Hand in die Garions. Bei dieser Berührung erfüllte der Gesang des Auges wieder Garions Geist und vertrieb seine Sorgen und Ängste. Er hätte nicht sagen können, wie lange er so dagestanden hatte, das Kind an der Hand und in das Lied versunken.
»Es ist soweit, Belgarion.« Die Stimme schien irgendwie von außen zu kommen, nicht länger auf Garions Geist beschränkt zu sein, und Botschafts Miene zeigte deutlich, daß auch er die Worte hören konnte.
»Ist es das, was ich tun soll?« fragte Garion.
»Es ist ein Teil davon.«
»Was machen sie da drinnen?« Garion blickte neugierig zu der Tür.
»Sie bereiten die Menschen im Saal auf die kommenden Ereignisse vor.«
»Werden sie bereit sein?«
»Wirst du es?« Die Stimme machte eine Pause. »Bist du bereit, Belgarion?«
»Ja!«, antwortete Garion. » Was immer es ist, ich denke, ich bin bereit.«
»Dann laß uns
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