Turm der Hexer
wenn es aus Liebe geschah. Aber wir müssen vielleicht warten, bis sein Bein wieder geheilt ist. Das war wirklich ein Patzer, Lelldorin. Du hättest ihm nicht das Bein brechen dürfen.«
»Das nächste Mal versuche ich, solche Dinge zu vermeiden«, versprach Lelldorin rasch.
»Das nächste Mal?«
Sie mußten beide lachen. Sie unterhielten sich weiter im Kerzenlicht, das in dem wütenden Sturm flackerte. Nach etwa einer Stunde schien das Schlimmste vorbei zu sein, und den beiden wurden wieder die Augen schwer.
»Warum versuchen wir nicht, noch etwas zu schlafen?« schlug Garion vor.
»Ich puste die Kerze aus«, stimmte Lelldorin zu. Er stieg aus dem Bett und ging zum Tisch. »Bist du bereit?« fragte er Garion.
Garion schlief fast sofort wieder ein, gleichzeitig hörte er ein lispelndes Flüstern in seinem Ohr und spürte eine trockene, kalte Berührung.
»Bist du bereit?« zischte eine flüsternde Stimme, und er sah mit verständnislosen Augen in das Gesicht von Königin Salmissra, ein Gesicht, das abwechselnd menschlich und schlangenhaft und zu einem Zwischending wurde. Dann stand er unter der schimmernden Kuppel in der Höhle der Götter und trat vor, um die makellose, nußbraune Schulter des eben geborenen Fohlens zu berühren. Seine Hände waren in die absolute Stille des Todes selbst ausgestreckt.
»Bist du bereit?« fragte Belgarath ruhig.
»Ich glaube schon.«
»Gut. Dann setze deinen Willen dagegen und drücke.«
»Er ist schrecklich schwer, Großvater.«
»Du sollst ihn ja auch nicht hochheben, Garion. Drück einfach dagegen. Wenn du es richtig machst, wird er überrollen. Mach schnell. Wir haben noch viel zu tun.«
Garion konzentrierte sich. Dann saß er mit seiner Base Adara auf einem Hügel. In der Hand hielt er einen abgestorbenen Zweig und ein paar trockene Grashalme.
»Bist du bereit?« fragte die nüchterne Stimme in seinem Geist.
»Hat das irgendeine Bedeutung?« fragte Garion. »Ich meine, macht es einen Unterschied?«
»Das hängt davon ab, wie gut du es machst.«
»Das ist keine besonders gute Antwort.«
»Es war auch keine besonders gute Frage. Wenn du bereit bist, verwandele den Zweig in eine Blume.«
Garion tat das und betrachtete kritisch das Ergebnis. »Es ist keine besondere Blume, nicht wahr?« entschuldigte er sich.
»Es muß genügen.«
»Laß mich es noch einmal versuchen.«
»Was willst du mit dieser hier machen?«
»Einfach…« Garion hob die Hand, um die unscheinbare Blüte, die er soeben erschaffen hatte, auszulöschen.
»Du weißt, daß das verboten ist«, erinnerte ihn die Stimme.
»Ich habe sie doch gemacht, oder?«
»Das spielt keine Rolle. Du kannst sie nicht ungeschehen machen. Sie ist schon in Ordnung. Komm jetzt. Wir müssen uns beeilen.«
»Ich bin noch nicht bereit.«
»Zu schade. Wir können nicht länger warten.«
Und dann wachte Garion auf. Er fühlte sich seltsam leicht im Kopf, als ob ihm sein unruhiger Schlaf mehr geschadet als genützt hätte.
Lelldorin schlief noch tief, und Garion fand im Dunkeln seine Kleider, zog sich an und ging leise hinaus. Der seltsame Traum ging ihm durch den Kopf, während er durch die schwach beleuchteten Flure von Eisenfausts Zitadelle wanderte. Er hatte immer noch das Gefühl einer drängenden Unruhe, als ob alle ungeduldig darauf warteten, daß er etwas tat.
Er fand einen windigen Hof, in dem sich der Schnee in den Ecken aufgetürmt hatte und die Steine schwarz und glänzend vor Eis waren. Es begann gerade erst zu dämmern, und die Wehrgänge, die um den Hof liefen, zeichneten sich scharf gegen den bewölkten Himmel ab.
Hinter dem Hof lagen die Ställe warm, nach duftendem Heu und Pferden riechend. Durnik war schon hier. Wie es so oft der Fall war, fühlte sich der Schmied in Gegenwart von Adeligen unbehaglich und suchte statt dessen die Gesellschaft von Pferden. »Konntest du auch nicht schlafen?« fragte er, als Garion den Stall betrat.
Garion zuckte die Achsel. »Aus irgendeinem Grund hat der Schlaf alles noch schlimmer gemacht. Ich habe das Gefühl, als hätte ich lauter Stroh im Kopf.«
»Dann fröhliches Erastide, Garion.«
»Richtig, das ist ja heute, nicht?« Bei all der Unruhe hatte er den Feiertag fast vergessen. »Fröhliches Erastide, Durnik.« Das Fohlen, das weiter hinten im Stall geschlafen hatte, wieherte leise, als es Garion roch. Garion und Durnik gingen zu dem kleinen Tier hinüber.
»Fröhliche Erastide, Pferdchen«, begrüßte Garion es. Das Fohlen beschnupperte ihn. »Glaubst
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