Turm der Hexer
bis er bereit ist, vernünftig zu reden.«
»Eure Majestät!« Valgon war schockiert. »So spricht man nicht mit dem Kaiser von Tolnedra.«
»Ich spreche, wie es mir beliebt«, erwiderte Garion. »Du hast meine unsere Erlaubnis zu gehen.«
»Eure Majestät… «
»Du bist entlassen, Valgon«, unterbrach Garion ihn.
»Nicht schlecht«, sagte König Anheg von der etwas abgelegenen Nische her, in der er und die anderen Könige sich für gewöhnlich versammelten. Die Anwesenheit dieser königlichen Zuschauer ließ Garion sich stets unbehaglich fühlen. Er wußte, daß sie jeden seiner Schritte beobachteten und seine Entscheidungen, sein Benehmen und seine Worte abschätzten und beurteilten. Er wußte, daß er in seinen ersten Monaten zwangsläufig Fehler machen mußte, und es wäre ihm wesentlich lieber gewesen, wenn er sie ohne Publikum hätte machen können. Aber wie sollte er einer Gruppe von souveränen Königen erklären, daß er nicht im Mittelpunkt ihres Interesses zu stehen wünschte?
»Aber etwas barsch, meint ihr nicht?« sagte König Fulrach.
»Mit der Zeit wird er lernen, etwas diplomatischer zu sein«, prophezeite König Rhodar. »Ich denke, daß Ran Borune seine Unverblümtheit erfrischend finden wird wenn er sich von dem Schlaganfall erholt hat, der ihm die Antwort unseres Garions bescheren wird.«
Die versammelten Könige und Adeligen lachten über Rhodars Bemerkung, und Garion versuchte erfolglos, nicht zu erröten.
»Muß das sein?« flüsterte er Tante Pol wütend zu. »Sobald ich auch nur aufstoße, höre ich ihre Kommentare.«
»Sei nicht so mürrisch, Lieber«, sagte sie ruhig. »Es war auch eine Spur unhöflich. Willst du deinem zukünftigen Schwiegervater gegenüber wirklich einen solchen Ton anschlagen?«
Das war etwas, an das Garion nun ganz gewiß nicht erinnert werden wollte. Prinzessin Ce’Nedra hatte ihm seinen plötzlichen Aufstieg noch immer nicht verziehen, und Garion plagten ernste Bedenken bei der Vorstellung, sie zu heiraten. So sehr er sie mochte und er mochte sie wirklich –, kam er doch bedauernd zu dem Schluß, daß Ce’Nedra keine gute Ehefrau abgeben würde. Sie war klug und verwöhnt, und in ihrem Wesen lag eine ordentliche Portion Sturheit. Garion war überzeugt, daß sie ein abartiges Vergnügen daran finden würde, ihm das Leben so schwer wie möglich zu machen. Als er auf dem Thron saß und den scherzhaften Kommentaren der alornischen Könige lauschte, wünschte er sich allmählich, nie von dem Auge gehört zu haben.
Wie immer ließ der Gedanke an den Stein ihn zu dem massiven Schwert über dem Thron hinaufblicken, auf dessen Knauf er glühte. Es lag etwas aufreizend Selbstgefälliges in der Art, wie das Auge jedesmal erstrahlte, wenn er auf dem Thron saß. Es war, als ob es sich selbst beglückwünschte, als ob er, Belgarion von Riva, seine ureigene Schöpfung wäre. Garion verstand das Auge nicht. Sein Geist hatte tastend dessen Bewußtsein berührt und sich dann vorsichtig zurückgezogen. Garion war gelegentlich von dem Geist verschiedener Götter berührt worden, aber das Bewußtsein des Auges war völlig anders. In ihm lag eine Macht, die er nicht einmal ansatzweise begriff. Mehr noch, seine Zuneigung zu ihm schien recht irrational zu sein. Garion kannte sich und war sich schmerzlich bewußt, daß er keineswegs so liebenswert war. Aber jedesmal, wenn er in seine Nähe kam, begann es, unerträglich zu strahlen, und sein Geist hallte wieder von jenem seltsamen, emporjauchzenden Gesang, den er in Ctuchiks Turm zum erstenmal wahrgenommen hatte. Das Lied des Auges war wie eine drängende Einladung. Garion wußte, wenn er es in die Hand nähme, würden ihrer beider Willen sich miteinander verbinden, und zwischen ihnen gäbe es nichts, was sie nicht vollbringen könnten. Torak hatte das Auge erhoben und mit ihm die Welt gespalten. Garion wußte, wenn er es wollte, könnte er das Auge nehmen und den Spalt wieder schließen. Viel beunruhigender jedoch war die Tatsache, daß er, als er dies erkannt hatte, sofort von dem Auge mit genauen Anweisungen versehen wurde, wie er vorgehen sollte.
»Paß auf Garion«, sagte Tante Pols Stimme.
Die Geschäfte dieses Vormittags waren jedoch fast erledigt. Es gab noch einige Petitionen und einen merkwürdigen Gratulanten aus Nyissa. Der Tenor des Schreibens war tastend, versöhnlich, und es war unterzeichnet von Sadi, dem Eunuchen. Garion entschloß sich, erst gründlich nachzudenken, ehe er eine Antwort schickte. Die
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