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Turm der Lügen

Turm der Lügen

Titel: Turm der Lügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Cristen
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Cité
erwartet. Seine Neuigkeiten rechtfertigten die Verspätung, mit der er eintraf.
    »Enguerrand de Marigny wurde nach der Sitzung des
grand conseil
verhaftet. Es wird ihm nicht nur die Verletzung seiner Amtspflichten vorgeworfen, sondern auch Verrat und die fortgesetzte Veruntreuung von Staatsgeldern. Louis verlangt, dass ein Tribunal aus den höchsten weltlichen und kirchlichen Fürsten des Landes über den ehemaligen Kanzler unseres Vaters richtet. Valois hat es übernommen, die Anklageschrift zu verlesen.«
    Philippe war sichtlich erschöpft. Er hob den Pokal und trank in tiefen Zügen.
    »Das heißt, sein Todesurteil steht fest, ehe der Prozess begonnen hat«, stellte Adrien nüchtern fest. »Warum macht der König sich überhaupt die Mühe, Marigny noch vor Gericht zu stellen?«
    »Damit ihm später niemand nachsagt, er habe sein Urteil zu Unrecht gefällt«, vermutete Philippe. »Er unternimmt echte Anstrengungen, in die Fußstapfen unseres Vaters zu treten.«
    »Sie werden ihm ein Leben lang zu groß bleiben.«
    »Tatsache ist, er überlässt es unserem Onkel Valois, den Prozess einzuleiten. Er selbst bereitet einen neuen Flandernfeldzug vor. Dass der Graf von Flandern bisher nicht in Paris aufgetaucht ist, um dem neuen König zu huldigen, stachelt seine Kriegswut an. Er will das vollenden, was unserem Vater nicht gelungen ist: Flandern zu unterwerfen.«
    »Wenn ihm nicht der eigene Adel dabei in den Rücken fällt.«
    »Louis hat seine Taktik geändert. Auf außerordentliche Steuern will er künftig weitgehend verzichten. Den Herren des Languedoc hat er sogar eine ganze Reihe von Privilegien schriftlich zugesichert. Er macht ihnen Zusagen bei der Gerichtsbarkeit und schränkt die Strafgelder ein, die für die Überlassung von Lehen an Nichtadelige und kirchliche Institutionen erhoben werden. Sogar die Schulden, die die Städte bei den vertriebenen Juden gemacht haben, müssen nicht mehr zurückgezahlt werden, wie es unser Vater noch festgelegt hat.«
    Louis erkauft sich das Wohlwollen seiner Untertanen, schwächt damit auf Dauer die Macht der Krone, verspielt, was unser Vater erkämpft hat,
fügte er in Gedanken hinzu.
    »Das ist Valois’ Handschrift.« Adrien kannte Louis gut genug, um das behaupten zu können.
    Der Bruder des verstorbenen Königs war zum wichtigsten Ratgeber und Mentor des unerfahrenen Zänkers geworden. Philippe und er fochten einen Machtkampf aus, der in den Ratssitzungen seine Höhepunkte fand. Der Zänker schenkte je nach Laune mal dem einen und mal dem anderen Gehör.
    »Im Übrigen gibt Valois Louis Ratschläge, wie er seinen Feldzug finanzieren kann«, fügte Philippe hinzu. »Auch er ist für den Krieg.«
    »Welche Ratschläge? Wo will er in diesen Zeiten Gold auftreiben?«
    »Bei den Juden zum Beispiel. Sie stellen immer wieder Gesuche, nach Frankreich zurückkehren zu können. Es ist nun schon neun Jahre her, dass mein Vater sie vertrieben hat. Louis lässt überprüfen, unter welchen Bedingungen es möglich ist. Im Grunde genommen geht es nur darum, die Höhe der jährlichen Schutzabgaben festzulegen, die sie dafür zu zahlen bereit sind.«
    Adrien pfiff leise durch die Zähne, während Philippe seine Aufzählung fortsetzte.
    »Und dann sind da noch die lombardischen Bankiers, die bis zu ihrer Verbannung die Finanzen unseres Vaters verwaltet haben. Sie nutzen mittlerweile jedes diplomatische Mittel, um ihre Geschäfte mit Frankreich wieder aufnehmen zu können. Sie sind reich. Eine Sondersteuer, die sich an der Höhe ihrer Geldgeschäfte und am Umfang ihrer Warenlieferungen orientiert, würde die Krone an diesem Reichtum teilhaben lassen.«
    Die Lombarden, wie man in Frankreich der Einfachheit halber alle italienischen Kaufleute und Bankiers, ungeachtet ihrer Heimatstadt, nannte, würden sich wohl kaum auf diesen Kuhhandel einlassen, vermutete Adrien. Zwar hatten sie von jeher eine große Rolle in der Finanzpolitik der Krone gespielt, aber ihr Einfluss war nach dem Tod der Brüder Guidi geschwunden. Philippe der Schöne hatte keine Nachsicht mit den Landsleuten seiner Finanzberater gekannt. Er vertrieb sie 1309 aus Frankreich und konfiszierte ihr Vermögen. Ein ähnliches Schicksal war 1306 den Juden beschieden gewesen. Ihm war von jeher jedes Mittel recht gewesen, den leeren Staatssäckel zu füllen.
    Von der Rückzahlung jener Anleihen und Kredite, die beide Volksgruppen der Krone großzügig gewährt hatten, war selbstverständlich keine Rede mehr. Adrien bezweifelte,

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