Turm der Lügen
dass die Lombarden sie ebenfalls vergessen hatten. Sie würden sich nicht darauf einlassen, ein zweites Mal von den Franzosen geschröpft zu werden.
»Man sollte eigentlich meinen, dass der sagenumwobene Schatz der Templer, der der Krone im Zuge der Zerschlagung des Ordens in die Hände gefallen ist, ein für alle Mal alle Finanzprobleme gelöst hätte«, wunderte sich Adrien.
»Willst du die Wahrheit wissen?« Philippe wartete Adriens Nicken nicht einmal ab, ehe er weitersprach. »Der Schatz ist verschwunden. Entweder hat er nie existiert, oder er wurde rechtzeitig in Sicherheit gebracht. Tatsache ist, dass alle Nachforschungen, Folter-Exzesse und Hinrichtungen keinen einzigen Hinweis darauf erbracht haben. Die Staatskasse ist so leer, wie sie es vor den Anklagen gewesen ist, die gegen die Templer erhoben wurden.«
»Das heißt, die ganze Aktion hat dem König keinen Reichtum eingetragen, sondern nur den Fluch des Großmeisters der Templer.«
»In der Tat.« Philippe schwieg einen Augenblick, ehe er düster hinzufügte. »Und noch dazu einen Fluch, der das Haus der Kapetinger bis ins dreizehnte Glied verfolgen soll, wenn du es genau wissen willst.«
»Das ist Aberglauben. Du weißt es.«
»Weiß ich es wirklich? Der Papst und mein Vater sind tot«, entgegnete Philippe vielsagend.
Adrien verzichtete auf Widerspruch. Er ärgerte sich, dass er das Thema überhaupt zur Sprache gebracht hatte. Er versuchte, ihre Unterhaltung wieder in alltäglichere, vernünftigere Bahnen zu lenken.
»Immerhin, Valois beweist einen findigen Kopf, wenn es um neue Geldquellen geht.«
»Das muss man ihm lassen«, stimmte Philippe zu. »Er macht nicht einmal vor der Kurie halt. Die geistlichen Herren weigern sich zwar noch, über eine Besteuerung mit sich reden zu lassen, solange kein neuer Papst ernannt ist, aber ich bin sicher, dass in dieser Sache nicht das letzte Wort gesprochen ist. Darüber hinaus denkt mein Bruder daran, die Leibeigenschaft im Königreich aufzuheben. Er hat im Rat die Meinung vertreten, dass nach dem Recht der Natur alle Menschen frei geboren seien.«
»Wie das?«
Adrien beugte sich beunruhigt vor. Auch in Faucheville wurden viele Arbeiten von Leibeigenen verrichtet. Leibeigene bewirtschafteten einen Teil seiner Felder und waren ihm dafür zinspflichtig. Sie durften nur einen geringen Anteil der Ernte für ihre Bedürfnisse behalten. Würde dieses System zerschlagen, geriete auch Faucheville in Schwierigkeiten.
»Jeder Leibeigene soll sich künftig freikaufen können. Das Geld, das er dafür bezahlen muss, würde an den König gehen, nicht an seinen Herrn. Die Einnahmen sollen schließlich der Staatskasse zugutekommen. Aber keine Angst, mein Freund, noch ist nichts beschlossen.«
Beide versanken in Schweigen und gingen ihren Gedanken nach. Sie plauderten nicht mehr so unbeschwert wie früher. Seit Philippe Adrien mitgeteilt hatte, dass Jeanne und Séverine Dourdan verlassen hatten, schwelte eine gewisse Disharmonie zwischen ihnen.
Adrien konnte und wollte nicht verstehen, warum Philippe ausgerechnet Mahauts Hilfe zu Jeannes Befreiung in Anspruch genommen hatte.
»Ihr habt Séverine Mahaut ausgeliefert, obwohl Mahaut sie schon am Tag ihrer Geburt verleugnet hat«, hatte er ihm zornig vorgeworfen. »Séverine ist der lebende Beweis für eine ihrer Schurkereien. Das ist eine Gefahr für sie. Sie wird den Dingen nicht einfach ihren Lauf lassen, sondern eine Teufelei gegen Séverine ersinnen.«
Philippes Versuche, Adrien zu beruhigen, waren vergeblich gewesen. Seine Erklärungen und Argumente waren auf taube Ohren gestoßen. Adriens Angst um Séverine hinderte ihn an jeder nüchternen Abwägung. Ihn zu Séverine reisen zu lassen, hatte Philippe abgelehnt.
Jetzt brach er das Schweigen. Er wusste, in welchem Zwiespalt Adrien lebte, in seinem Blick lag Wohlwollen.
»Ich kann dir eine erfreuliche Mitteilung machen. Wie du weißt, ist nach Roberts Tod die Pfalzgrafschaft Burgund, die Franche-Comté, an Jeanne gefallen. Es ist meine Pflicht, diese Provinz für meine Frau zu regieren und zu verwalten. Die Straßen sind wieder frei, man erwartet mich und Jeanne in der Hauptstadt Dôle. Wir brechen noch diese Woche auf. Unser erstes Ziel ist Gray. Jeanne und die Kinder haben in der Familienburg der Herren von Salins und Burgund, die ihrem Vater gehörte, Wohnung genommen.«
Philippe hatte seine Töchter zu Jeanne bringen lassen, sobald ihre Ankunft in Gray bestätigt worden war.
Adriens Gesichtszüge hellten
Weitere Kostenlose Bücher