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Turm der Lügen

Turm der Lügen

Titel: Turm der Lügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Cristen
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dass alle sie fassungslos anstarrten und auf eine Erklärung warteten.
    »Charles ist schuld«, erklärte sie schließlich geradezu triumphierend. »Nie ist er an meiner Seite. Nächtelang wird seine Anwesenheit im Rat des Königs gefordert. Zudem muss er seinen Vater auf jeder Jagd begleiten, oder er ist in seinem Auftrag irgendwo unterwegs. Was sollte ich denn in dieser Zeit tun? Herumsitzen, Altartücher sticken und vergeblich auf ihn warten?«
    »Setz dich, Blanche.« Jeanne deutete auf die Bank und verzichtete darauf, die Luftschlösser ihrer Schwester niederzureißen. »Wir müssen nachdenken. Gemeinsam überlegen, was ihr dem König sagen könnt. Es ist wichtig, dass ihr euch klug rechtfertigt und seinen Zorn besänftigt.«
    Blanche gehorchte zögernd.
    »Was soll ich noch zu meinen Gunsten sagen, außer dass Charles mich sträflich vernachlässigt hat?«
    »Am besten hältst du den Mund«, entschied Marguerite schroff. »Wer immer uns verraten hat, der König weiß Bescheid. Wenn ihm sogar bekannt ist, dass wir die schönen Börsen, die uns Isabelle zum Osterfest übersandt hat, an Philippe und Gautier weitergegeben haben, weiß er auch alles andere.«
    »Leichtsinn.«
    Marguerite fuhr zu Jeanne herum und maß sie mit einem so wütenden Blick, dass sie sich wünschte, ihre Lippen wären versiegelt geblieben. So böse hatte sie sie nie zuvor erlebt. Sie konnte sich eigentlich gut beherrschen. Die heutigen Ereignisse überforderten sie.
    Die Demütigung vor dem versammelten Hof, ließ Schlimmes befürchten. Philippe der Schöne war nicht nur seinem Sohn Charles, sondern auch Philippe rüde ins Wort gefallen, als sie den Versuch machten, ihre Frauen zu verteidigen. Louis hatte geschwiegen, den Nacken vorgeschoben, die dünnen Lippen ein Strich, die Hände im Rücken verhakt.
    »Niemand wird mit den Prinzessinnen sprechen«, hatte der königliche Befehl gelautet. »Erst wenn das Ausmaß ihrer Verfehlungen und das der Brüder Aunay feststeht, werde ich ein Urteil fällen.«
    Welches Urteil?
    Die Frage lastete mit dem Gewicht eines Felsens auf Jeanne.
    Auch wenn es ein schwerer Fehler gewesen war, Gautiers Liebeswerben nachzugeben, so konnte sie Blanche doch ein wenig verstehen. Die Schwester konnte kein Schweigen ertragen. Nicht einmal jetzt. Ihre weinerliche Stimme ließ keine längere Stille zu.
    »Wie hätte ich seiner Männlichkeit widerstehen sollen? Gautier liebt mich mit einer Leidenschaft, die Charles völlig fremd ist. Er wird mich nie verraten. Nicht einmal unter der Folter.«
    Marguerite bedachte Blanche mit einem gezischten »Schweig!«
    Blanche ignorierte es.
    »Gautier und Philippe sind Ritter. Sie haben vor Gott und den Menschen den Eid geleistet, die Schwachen zu schützen. Sie werden über unsere Ehre wachen und schweigen.«
    »Wach auf, Blanche. Du träumst!«, fuhr Marguerite sie an. »Die beiden befinden sich in den Händen des Henkers von Pontoise. Seine Folterknechte werden nach und nach alles aus ihnen herauspressen. Mach dir keine falschen Hoffnungen. Die Schergen von Pontoise haben die Tempelritter dazu gebracht, sogar ihren Gott und ihren Glauben zu leugnen. Sie verstehen ihr Handwerk, haben es jahrelang vervollkommnet. Der Schreiber seiner Majestät wird jedes Wort der von ihnen erzwungenen Geständnisse notieren. Isabelle giert danach. Sie will uns vernichten, aber zuvor will sie uns an den Pranger stellen und uns leiden sehen.«
    Blanches Schluchzen erfüllte die Kammer. Jeanne bezwang ihre Angst nur mit Mühe. Adrien hatte ihr vorausgesagt, was geschehen würde. Sie würde mit hineingezogen werden. Das war so gut wie sicher.
    »Was wird mit uns geschehen?«
    Erst als Marguerite antwortete, wurde ihr klar, dass sie die Frage laut gestellt hatte.
    »Da die Königin von England ihre lilienweißen Finger im Spiel hat, sollten wir mit dem Schlimmsten rechnen«, entgegnete sie rauh.
    »Das Schlimmste? Heilige Mutter Gottes, was soll das sein, das Schlimmste«, kreischte Blanche.
    »Sie werden uns erst einmal in ein Kloster verbannen. Einkehr, Buße und Gebet sind gemeinhin die Mittel, untreue Ehefrauen zur Besinnung zu bringen«, vermutete Jeanne.
    »Und
du
wirfst Blanche vor, dass sie die Realität verkennt?« Marguerite verzog verächtlich den Mund. »Ich bezweifle, dass wir damit davonkommen werden. Louis hasst mich vom ersten Tag unserer Ehe an. Am liebsten würde er mich tot sehen. Ich konnte es in seinen Blicken lesen. Ginge es nach ihm, er würde noch dabei zusehen wollen, wie sie

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