Turm der Lügen
Philippe von Aunay haben sie mit einer einzigen Silbe belastet. Sie ist beiden Brüdern lediglich bei Hofe und in aller Öffentlichkeit begegnet. Ich bitte Euch, Sire, nehmt Jeanne wieder in Gnaden auf und raubt unseren Töchtern nicht die Mutter.«
Im Antlitz des Königs war keine Regung zu erkennen. Kein Laut kam über seine Lippen, dafür ergriff Isabelle, sich an ihn wendend, das Wort.
»Hast du nicht gehört, Bruder? Dieses sündige Treiben geht nun seit mehr als zweieinhalb Jahren. Seitdem schweigt deine Frau und deckt das verwerfliche Leben von Marguerite und Blanche. Wie kannst du da von Unschuld sprechen?«
»Sie ist eine Metze, wie die anderen«, triumphierte Louis. Isabelle hatte ihm aus der Seele gesprochen, auch wenn es ihm nicht gefiel, dass sie dasselbe Stimmrecht haben sollte wie die Brüder. »Selbst wenn es keine Beweise für ihre Unzucht gibt, in ihren Adern fließt das Blut ihrer Schwester. Beide eint die gleiche Verderbtheit.«
»Beherrschung, Louis! Jeder meiner Söhne hat das Recht, für seine Gemahlin zu sprechen. Welche Entschuldigung kannst du für sie vorbringen, Philippe? Warum hat Jeanne geschwiegen?«
»Ich fürchte, es ist meine Schuld.«
Philippe erinnerte sich gut an die hektischen Stunden vor der Abreise nach Pontoise. Jeanne hatte das Gespräch mit ihm gesucht. Er hatte keine Zeit für sie gehabt. Es war ihm wichtiger gewesen, an der Seite des Vaters zu bleiben, um seine Brüder unter Kontrolle zu behalten.
»Jeanne hat mich immer wieder um ein vertrauliches Gespräch unter vier Augen gebeten. Ich habe sie jedes Mal auf später vertröstet, in der Meinung, es ginge um die üblichen Dinge. Um die Mädchen, den Haushalt, eine weitere Forderung ihrer Mutter. Heute ist mir klar, dass sie sich mir mitteilen wollte. Dass sie meinen Rat und meine Hilfe erhoffte. Es ist nicht ihre Schuld, dass ich ihr beides verweigert habe. Klagt mich an, nicht sie.«
»Was gibt dir die Sicherheit, dass sie über das ehebrecherische Treiben ihrer Schwester und Base mit dir sprechen wollte?«
Isabelle hatte sich vom Vater mit einem schnellen Blick das Wort geben lassen.
Philippe überlegte sich die Antwort genau. Aus der reizenden Schwester, die einmal bewundernd zu ihren Brüdern aufgesehen hatte, war eine Eiskönigin geworden. Kühl bis ins Herz saß sie auf ihrem Stuhl. Aufrecht und unbeugsam. Das Haupt mit einem Kronreif geschmückt, der ihre blonden Flechten zum Leuchten brachte. Ihr Blick war klar und kalt, noch gefühlloser als der von Louis.
»Ich kenne meine Frau, Schwester«, sagte er schließlich knapp. »Ich weiß, was in ihrem Kopf und in ihrem Herzen vorgeht. Wenn man ihr einen Vorwurf machen kann, dann den, die Menschen für besser zu halten, als sie sind. Sie glaubt an das Gute in jedem Einzelnen von uns, will das Böse nicht wahrhaben.«
»Warum hat Blanche mir das angetan?«
Charles, der bis dahin reglos auf seinem Stuhl gesessen hatte, fuhr hoch und erwachte wieder zum Leben. Mit neunzehn Jahren war er so alt wie Blanche und keine Spur vernünftiger.
»Wie konnte sie das tun?«, jammerte er und vergoss sogar Tränen über sein Unglück. »Sie weiß doch, wie sehr ich sie liebe. Alles würde ich für sie tun.«
Wenn sie dir gerade einfällt, zwischen einer Jagd, den Besprechungen mit deinem Schneider und den Vergnügungen des Hofes, schoss es Philippe durch den Kopf. Niemand nahm Charles wirklich ernst. Er neigte zu Übertreibungen und Banalitäten. In den Ratssitzungen langweilte er sich. Zum Ärger seines Vaters vernachlässigte er sogar die Waffenübungen. Mit zweifelhaften Freunden unternahm er wilde Streifzüge durch das nächtliche Paris.
Auf der anderen Seite war er der Sohn, der dem König am ähnlichsten sah. Er erinnerte den Monarchen an seine Jugend. Aus diesem Grund behandelte er Charles mit größerer Nachsicht als die beiden älteren. Auch jetzt ermahnte er ihn nicht. Die Arme vor der Brust verschränkt, bot er den gewohnten Anblick steinerner Ruhe.
»Ist das alles, was du zu sagen hast, Charles?«, fragte er knapp. »Und wie steht es mir dir, Louis? Kein freundliches Wort für die Mutter deiner Tochter?«
»Wenn sie denn meine Tochter ist«, trumpfte Louis auf. »Wer kann schon sagen, ob das Kind nicht ein Balg des Aunay ist. Nein, kein Mitleid für die Ehebrecherin, Sire. Marguerite von Burgund hat meine Ehre mit Füßen getreten. Sie verdient die ganze Härte des Gesetzes. Den schmählichen Tod. Lasst sie pfählen und die anderen dazu.«
Die
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