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Turm der Lügen

Turm der Lügen

Titel: Turm der Lügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Cristen
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ihn von dieser Meinung abbringt.«
    Schweigen breitete sich zwischen ihnen aus. Bis auf das Mahlen von Mars’ Zähnen, der in seiner Futterraufe den Hafer zerkleinerte, war kein Laut zu vernehmen. Beide Männer hingen schwermütig ihren Gedanken nach. Erst als irgendwo eine Tür zuschlug und ein Pferdeknecht fluchte, gab sich Philippe einen Ruck, ließ die Hände sinken und sah seinen Freund an.
    »Da du schon meine bescheidene Klugheit erwähnt hast, möchte ich dir gerne ebenfalls einen Rat aufdrängen, mein Freund. Dein Schützling ist in den Augen deines Vaters ein Nichts. Es wird ihm nicht gefallen, wenn du dein Herz an ein Bastardmädchen hängst.«
    »Séverine ist kein Bastard …«
    »Was auch immer sie ist, sie ist keine Braut für den Erben von Faucheville. Sogar wenn du sie als Geliebte nimmst, erregst du Ärger. Nicht zuletzt bei Jeanne, die sie ungewöhnlich schätzt und bestimmt nicht begeistert darauf reagiert, wenn du sie entehrst.«
    Adrien verschluckte im letzten Augenblick eine wütende Entgegnung. Philippe hatte ja mit jeder Silbe recht. Sein Vater hatte schon einige Male das leidige Thema Erbe und Heirat zur Sprache gebracht.
    »Lass uns gehen«, knurrte er stattdessen. »Wir müssen handeln. Julien finden wir bei Séverine. Er versucht, ihr das Schachspiel näherzubringen, um sie von ihren traurigen Gedanken abzulenken.«
    * * *
    »Dort ist Euer Wagen.«
    Der Hauptmann der Bogenschützen vertrat Jeanne den Weg.
    »Was hat das zu bedeuten?«
    Marguerite beugte sich aus der Tür des Wagens, den sie bereits bestiegen hatte.
    »Wir befolgen die Befehle des Königs«, antwortete der Hauptmann knapp. »Die Königin von Navarra und die Gräfin von Marche in diesen Wagen, die Gräfin von Poitiers in den anderen.«
    Die offiziellen Titel klangen angesichts der Situation wie Hohn.
    »Es kommt nicht in Frage, dass wir in getrennten Wagen reisen. Die Gräfin steigt bei uns ein.«
    Marguerite mochte ein Büßerkleid tragen, aber ihr Ton war der einer Königin.
    Der Hauptmann reagierte nicht auf den Einwurf. Er nahm Jeanne am Arm. Nicht grob, aber unmissverständlich drängte er sie voran. Sie begriff, dass sie tun musste, was ihr befohlen wurde.
    »Steigt ein.«
    Vor Jeanne tat sich eine Wagentür auf. Die schiebende Hand in ihrem Rücken ließ sie erstarren. Schon um dieser unangebrachten Berührung auszuweichen, kletterte sie eilig hinein.
    »Jeanne!«
    Blanches Schrei brach jäh ab. Jeanne sah, über die Schulter blickend, eben noch die Schwester in der Kutsche verschwinden, dann schlug die Tür auch hinter ihr zu. Dunkelheit umgab sie. Ehe sie begriff, was das alles bedeuten sollte, taumelte sie hart gegen eine Holzbank. Der Wagen setzte sich so ruckartig in Bewegung, dass sie fast gestürzt wäre. Mit den Händen konnte sie einen harten Sitz ertasten, auf den sie sich fallen ließ.
    Eingesperrt klammerte sie sich haltsuchend an die Kanten der Bank. Eisenbeschlagene Holzräder lärmten ohrenbetäubend über das Pflaster, dann über schwere Holzbohlen. Die Zugbrücke. Sie verließ Maubuisson.
    Für immer?
    Jeanne konnte beim besten Willen nichts erkennen. Die Ledervorhänge waren am Türrahmen des Wagens festgenagelt worden. Die Richtung ihrer Reise sollte ihr also verborgen bleiben. Der König schickte sie wie gemeine Verbrecherinnen an einen unbekannten Ort. Er gönnte ihnen nicht einmal den Trost menschlicher Gemeinschaft. Er riss seine Schwiegertöchter auseinander, ohne ein einziges erklärendes Wort.
    Hörten die Strafen nie auf? Gab es keine Barmherzigkeit oder Güte in der Brust ihres Richters?
    Die Stöße des Wagens, der weder an dämpfenden Lederbändern hing, noch über gepolsterte Bänke verfügte, ließen nicht einmal zu, der Müdigkeit nachzugeben und die Augen zu schließen. Jedes Rütteln löste ein schmerzendes Echo in ihrem Kopf aus. Unwillig streifte sie die Kapuze ab und erschrak aufs Neue bei der Berührung des kahlen Schädels. Ein knöchernes Behältnis voller Kummer, Pein und rastloser Gedanken. Am liebsten hätte sie ihren Kopf gegen die Streben des Wagens geschlagen.
    Der Wunsch, nicht mehr denken und fühlen zu müssen, wurde übermächtig. Fast beneidete sie Philippe und Gautier von Aunay. Sie hatten alles überstanden. Ob die himmlische Gerechtigkeit mit ihnen gnädiger umgehen würde als die irdische?
    Sie murmelte ein Gebet für die beiden jungen Männer, die auf so barbarische Weise ihr Leben lassen mussten. Ob das erbarmungslose Schauspiel ihrer Hinrichtung

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