Turm der Lügen
Stirn, die sich erst wieder glätteten, als er im
Hôtel d’Alençon
Julien die Zügel des Destriers reichte.
»Dich schickt der Himmel, Julien. Seit wann bist du wieder in Paris?«
Ein breites Grinsen ließ die Zähne des Knappen aufleuchten, ehe er sich höflich verneigte.
»Eine solche Begrüßung vernimmt man doch gern. Ich bin nur wenige Augenblicke vor Euch eingetroffen, Seigneur. Und bringe wichtige Neuigkeiten …«
»Die müssen erst einmal warten, mein Junge. Führ Mars in den Stall und versorge ihn gut. Ich habe ihn scharf herangenommen. Danach komm bitte sofort zu mir, ich brauche deine Dienste.«
»Aber …«
»Später«, schnitt ihm Adrien das Wort ab. »Zuerst muss ich Philippe aufsuchen.«
Obwohl er wusste, dass er Séverine nicht treffen würde, hielt er in der Halle und den Gängen Ausschau nach ihr. Sie hier zu wissen, erfreute und bedrückte ihn. Sie musste in jedem Fall außer Reichweite ihrer Mutter gebracht werden. Vielleicht konnte er Philippe dazu überreden, seine Töchter und ihren kleinen Haushalt in die Stammresidenz der Grafen nach Poitiers zu schicken. Je mehr Tagesreisen zwischen ihr und Mahaut lagen, umso beruhigter würde er sein.
Die Informationen aus Château Gaillard nahm Philippe mit stoischer Miene auf. Adrien wartete stumm auf seine weiteren Pläne.
»Ich muss das offene Gespräch mit meinem Vater wagen«, entschied er nach einer Weile. »Ich bin es leid, mich mit Gerüchten und Vermutungen herumzuschlagen. Jeanne ist unschuldig. Ich werde dem König den Beweis dafür bringen. Sieh her.«
Adrien starrte auf die glitzernde Börse, die er vom Tisch nahm. Ihm war auf den ersten Blick klar, worum es sich handelte.
»Isabelles Ostergeschenk. Sagtet Ihr nicht, es sei verschwunden?«
»Die Kinder haben die Börse unter Jeannes Zierat gefunden. Ich werde sie meinem Vater geben und ihn bitten, sie Isabelle zurückzusenden, mit einem Gruß von mir, sie habe meiner Frau übel mitgespielt. Bei dieser Gelegenheit werde ich ihn nach Jeannes Verbleib fragen. Schon morgen. Ich habe viel zu lange gewartet und geschwiegen.«
»Rechnet Ihr auf Mahauts Unterstützung?«
»Du weißt bereits von ihrem Besuch?«
»Durch eine Begegnung mit meinem Vater am Strandplatz«, erklärte Adrien. »Er war unterwegs zu einem Gastmahl in ihrem Palast.«
»Ich habe mich für diesen Abend entschuldigt«, antwortete Philippe. »Mir liegt nichts an Mahauts prunkvollen Auftritten. Ich …«
Ein Kratzen an der Tür ließ ihn innehalten. Auf seine Aufforderung erschien einer der zahllosen Schreiber des Hauses.
Adrien trat höflich wartend ans Fenster, bis der Mann sein Anliegen vorgebracht hatte. Hoffentlich bekam er noch die Gelegenheit, mit Philippe über Séverine zu sprechen. Er musste sie sehen, sich mit eigenen Augen davon überzeugen, dass es ihr wohl erging. Nicht zu wissen, was sie tat und wie sie sich fühlte, machte ihn verstimmt und besorgt. Bereute sie im Licht des Tages, was im dunklen Pferdestall geschehen war? Er musste nur daran denken, damit das Verlangen nach ihr unerträglich wurde.
»Lass ihn eintreten«, befahl Philippe in diesem Moment.
Erstaunt erkannte Adrien seinen Knappen Julien, der, die Kappe in der Hand, ehrerbietig Reverenz entbot. Er konnte nur um Nachsicht für so viel Selbstbewusstsein bitten.
»Entschuldigt seinen Eifer. Ich forderte ihn auf, mich nach getaner Arbeit, unverzüglich aufzusuchen. Ich nahm an, er würde in meiner Kammer auf mich warten.«
Philippe schickte den Schreiber wieder hinaus, ehe er den Knappen neugierig musterte.
»Schon gut«, beschied er. »Sprich, was hast du auf dem Herzen?«
Seine Menschenkenntnis sagte ihm, dass es um mehr gehen musste als bloßen Übereifer.
Julien trat von einem Fuß auf den anderen und wandte sich an Adrien: »Hat Euch die Nachricht des Boten schon vor mir erreicht?« platzte er atemlos heraus. »Ich wollte schnell sein, aber mein Fuchs verlor ein Hufeisen, so dass ich schon kurz hinter Dourdan einen Schmied suchen musste …«
»Welcher Bote, welche Nachricht?«, mahnte ihn Adrien zu logischer Rede.
Julien ordnete gehorsam seine Gedanken.
»Auf meinem Weg zurück nach Paris machte ich Station in der königlichen Festung von Dourdan. Verwandte von mir tun dort Dienst.«
»Sein Bruder«, warf Adrien zur Erklärung ein. »Er war Tempelritter. Glücklicherweise ist er der Vernichtung entgangen. Als schlichter Kriegsknecht hofft er nun auf eine Amnestie.«
Unbehaglich bewegte Julien die Schultern. Warum
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