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Turm der Lügen

Turm der Lügen

Titel: Turm der Lügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Cristen
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Unendliche.
    Ein Geräusch drang an ihr Ohr. Dumpfes Dröhnen, Klirren. Ein Gegenstand, der zu Boden fiel.
    Sie fuhr hoch und lauschte. Die Stundenkerze auf dem Kaminsims verbreitete vages Dämmerlicht. Bella seufzte schwer. Auf dem Gang musste jemand sein!
    Alle unterdrückten Ängste überfielen Séverine schlagartig wieder. Hatte Mahaut von ihr erfahren? Schickte die eigene Mutter einen Meuchelmörder, um die Spuren ihres Betrugs zu verwischen?
    Sie rutschte lautlos vom Alkoven, legte Bella in die Wiege und deckte sie zu, ehe sie das kleine Bett in eine dunkle Ecke des Zimmers schob. Sie verwarf die Möglichkeit, Jacquemine oder die Amme zu wecken.
    Eilig schlüpfte sie in ihr Gewand, ehe sie nach einem der Holzscheite griff, die im Korb neben dem Kamin lagen.
    Auf Zehenspitzen schlich sie zur Tür und postierte sich so, dass sie mit einem einzigen Sprung hinausstürzen konnte. Mit angehaltenem Atem löste sie den Riegel, riss die Tür auf und stürmte vorwärts.
    Ein schweres, großes Hindernis lag quer vor ihrer Schwelle. Sie rannte voll dagegen, strauchelte und stürzte vornüber in den Gang. Polternd verlor sie das Holzscheit.
    Séverine warf sich herum, kam unverzüglich auf die Knie und vernahm eine unterdrückt fluchende Stimme, die sie kannte.
    »Julien? Julien Porcien?«
    »Richtig«, japste Adriens Knappe. »Gott steh mir bei, Ihr habt einen Tritt wie ein Destrier. Hoffentlich habt Ihr mir keine Rippe gebrochen.«
    »Warum liegst du vor meiner Tür?«
    »Weil es mir befohlen wurde«, antwortete Julien.
    Er rieb sich den Brustkorb, während er sich hochrappelte und am Türrahmen abstützte.
    Séverine strich sich die Haare aus der Stirn, ehe sie ebenfalls wieder aufstand.
    In der offenen Tür konnte sie Julien jetzt erkennen. Der Umhang, der ihm als Unterlage gedient hatte, war um seine Füße gewickelt. Er musste sich erst davon befreien, um das Kurzschwert aufzuheben, das offensichtlich griffbereit neben ihm gelegen hatte.
    »Ich kam heute Nachmittag zurück«, berichtete er. »Fast gemeinsam mit meinem Herrn. Er macht sich Sorgen um Eure Sicherheit. Er hat mich angewiesen, vor Eurer Tür zu wachen, weil er Mahaut und ihren Machenschaften nicht traut. Er will kein Risiko eingehen.«
    Adrien war ebenfalls wieder im Hause!
    »Komm herein, damit wir reden können.«
    »Das ist ungehörig.« Julien verharrte vor ihrer Schwelle. »Ich bin Euer Leibwächter. Begebt Euch wieder zur Ruhe. Es tut mir leid, dass ich Euch geweckt und erschreckt habe.«
    »Warte.« Im letzten Moment hielt sie ihn davon ab, die Tür von draußen zu schließen. Sie wusste nicht, ob Adrien seinen Knappen in alles einweihte, aber sie konnte ihre Neugier nicht bezähmen. »Weißt du, was dein Herr in Château Gaillard herausgefunden hat?«
    Julien wich ihrem Blick aus.
    »Fragt ihn bitte selbst. Ich bin bei meiner Ritterehre zum Stillschweigen verpflichtet. Gute Nacht.«
    Seine Ritterehre. Sie wusste, es war sinnlos, Julien weiter zu bedrängen.
    Warum hatte Adrien sich bei ihr noch nicht sehen lassen? Scheute er sich, ihr unangenehme Neuigkeiten überbringen zu müssen?
    Bereute er, was zwischen ihnen geschehen war?
    Nein, das wollte sie sich nicht vorstellen.
    * * *
    »Die burgundischen Adeligen weigern sich, der Krone die festgesetzte Zahl Bewaffneter zu stellen, und sie zahlen ihre Steuern nicht. Das ist Rebellion. Aus Burgund hätte ich das zuletzt erwartet.«
    Philippe hatte keine Lust, mit seinem Vater über Politik zu reden. Die Tatsache, dass er seine Ratgeber und Minister mehr und mehr in den Reihen der Bürger und der Universität suchte, brachte die Edelmänner ebenso gegen ihn auf wie die erdrückende Last der Abgaben, die er zur Sanierung der Staatskasse für nötig erachtete.
    »Es scheint in Mode zu kommen, sich gegen meine Regierung zu empören«, fuhr der König fort. »Das Artois, die Champagne, Burgund, welche Provinz wagt es als nächste, meine Autorität in Frage zu stellen?«
    »Die Unzufriedenheit gilt nicht Euch, Sire«, entgegnete Philippe beherrscht. »Sondern Euren Ratgebern. In erster Linie Marigny. Seine Geschäfte blühen, während die Krone kaum Geld hat. Der Flandern-Feldzug, den mein Bruder so dringend fordert, ist unbezahlbar.«
    »Nichts als Aufruhr und Unfrieden, wohin ich blicke«, knurrte sein Vater und schlug auf die Armlehnen seines Stuhles. »Jetzt auch noch die Pfalzgrafschaft Burgund. Der junge Robert ist ohne jede Autorität in seiner eigenen Provinz. Sein Adel tut, wonach ihm der Sinn

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