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Turm der Lügen

Turm der Lügen

Titel: Turm der Lügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Cristen
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solche Idee verfallen?«
    »Es duftet dort nach Mamas Blumen. Ihre Kleider liegen in den Truhen. Wenn ich die Augen zumache, kann ich mir vorstellen, dass sie da ist.«
    Ja, das konnte Séverine verstehen. Am liebsten hätte sie es ihr gesagt. Stattdessen wandte sie sich an Jacquemine. »Wir müssen uns beeilen. Bleib du bei der Amme und bei Bella.«
    Sie kam sich wie eine Einbrecherin vor, als sie, Jeanne an der Hand, sorgsam um jede Ecke spähend, ihren Weg suchte. Wenn auch Philippe nicht zum Prunk neigte, so unterhielt er doch die Hofhaltung eines königlichen Prinzen. Schreiber, Kammerdiener, Leibwache und Edelmänner gingen bei ihm ein und aus. Keinem von ihnen wollte sie begegnen.
    Nach einem letzten prüfenden Blick den Gang entlang – Jeannes Gesicht war vor Aufregung gerötet, die Tränen waren getrocknet – öffnete sie die Tür zur Schlafkammer der Hausherrin und trat ein.
    Seit mehr als vier Monaten war sie nicht mehr in dem prächtig möblierten Raum gewesen. Ein unterdrücktes Quietschen lenkte ihren Blick zum Alkoven.
    Auf der zerknitterten roten Samtdecke, bestickt mit königlichen Lilien, kauerte Marguerite. Sie drückte eine Gliederpuppe ängstlich an sich. Ihre Wangen waren nass vor Tränen, auch die Kleider der Puppe zeigten feuchte Flecken. Das Spielzeug war in feinsten Schleierstoff gehüllt, und durch die Gaze schimmerten Gold und Juwelen.
    »Ein feines Versteck hast du dir da ausgesucht.« Séverine gab sich den Anschein, als sei nichts Besonderes vorgefallen. Sie trat näher und lächelte die Ausreißerin an. Jeanne kletterte zu ihrer Schwester aufs Bett und griff nach der Puppe. Marguerite öffnete protestierend den Mund.
    »Keinen Streit«, befahl Séverine energisch noch vor dem ersten Laut.
    Sie griff nach der Puppe. Ein Gegenstand fiel dabei aus den Schleierfalten und blieb auf der Decke liegen. Marguerite wollte danach fassen, aber Séverine war schneller. Eine Geldtasche. Eine Börse aus schwerem Goldgeflecht, mit Edelsteinen verziert. Ein Stück von seltener Kostbarkeit. Sie verstand nicht viel von Bijouterien, aber dass sie ein Kleinod und kein Kinderspielzeug in der Hand hielt, war auf den ersten Blick erkenntlich. Die komplette Ernte von Faucheville würde nicht ausreichen, ein solches Meisterwerk der Goldschmiedekunst zu erstehen.
    »Woher hast du das?«, fragte sie und sah erst jetzt, dass eine von Jeannes Truhen mit offenem Deckel an der Wand stand. Sie bewahrte dort Schleier, Gürtel, Bänder und Almosentaschen auf. Ganz offensichtlich hatte die Kleine in den Accessoires gewühlt, um ihre Puppe auszustatten.
    »Das gehört miiiir!«, behauptete Marguerite schrill.
    »Nein, das gehört deiner Mama. Und wir legen es in ihre Truhe zurück, damit sie alles so vorfindet, wie es sich gehört, wenn sie nach Hause kommt. Runter vom Bett, alle beide. Wir müssen hier für Ordnung sorgen, sonst … Oh!« Sie fuhr herum und entdeckte Philippe.
    Er stand in der offenen Tür, die Stirn gerunzelt und die Arme in die Seiten gestemmt.
    »Ich habe Stimmen gehört, als ich vorbeiging. Was hat das zu bedeuten? Ist das jetzt die Kinderkammer?«
    Séverine wäre am liebsten in den Boden versunken.
    »Ich warte hier auf Mama«, piepste Marguerite, als einzige unbeeindruckt vom Auftauchen ihres Vaters.
    Philippe trat vollends ein und schloss schweigend die Tür hinter sich. Sein Blick lag auf den Kindern, dann konzentrierte er sich auf Séverine.
    »Verzeiht.« Sie verneigte sich vor ihm. »Marguerite wollte ihrer Mutter nahe sein. Ich weiß, dass ich es an der Aufsicht fehlen ließ. Es soll nicht wieder vorkommen. Ich werde künftig besser darauf achten, dass …«
    »Was habt Ihr da?«
    Er starrte auf das Goldgeglitzer in ihrer Hand.
    »Das ist mein Schatz«, meldete sich Marguerite.
    »Wie dumm du bist. Er gehört Mama.« Jeanne musste das sofort richtigstellen.
    Philippe hörte weder auf sie noch auf Marguerite. Er trat zu Séverine und nahm die Börse an sich, ehe er in die hellbraunen Augen sah, die denen seiner Frau so glichen.
    »Wisst Ihr, was das ist?«
    Séverine schüttelte stumm den Kopf. Sie spürte, dass Philippe unter Anspannung stand.
    »Das ist eine der verteufelten Börsen, die meine Schwester Isabelle ihren Schwägerinnen zum Osterfest übersandt hat. Diese Börsen hatten den endgültigen Beweis geliefert für ihren Ehe… ähm …« Er vermied im letzen Moment das Wort »Ehebruch«. Die Kinder sahen ihn mit großen Augen an. »Woher habt Ihr sie?«
    Beunruhigt darüber,

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