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Turm-Fraeulein

Titel: Turm-Fraeulein Kostenlos Bücher Online Lesen
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war ich den größten Teil meines Lebens im Elfenbeinturm gefangen, und da bin ich auch ganz gut zurechtgekommen. Ich bin es also gewohnt, und vielleicht nimmst du es mit der Zeit auch hin.«
    Auf alle Zeiten eingeschlossen zu sein, mit einer Menge Nahrung und in ihrer Gesellschaft? Nun, das wäre nicht schlecht! Doch er wußte, daß er nicht das Recht hatte, sich damit zufrieden zu geben. »Ich habe eine Queste durchzuführen«, erinnerte er sie. »Ich habe versprochen, Stanley Dampfer zu retten.«
    »Ja, natürlich«, bestätigte sie. »Du bist sehr gewissenhaft.«
    Sie machten sich auf die Suche nach einer neuen Mahlzeit. »Ich frage mich, wo deine Vettel jetzt wohl sein mag«, bemerkte Jordan.
    »Die muß hier auch irgendwo gefangen sein«, vermutete Grundy. »Es sei denn, sie weiß irgendeinen Ausweg.«
    »Ich glaube nicht, daß sie hierhergekommen wäre, wenn sie nicht auch einen Ausweg wüßte«, meinte Rapunzel. »Ich bin überzeugt davon, daß sie alles über das Immermoor weiß.«
    Da kroch die Allegorie wieder auf die Insel. »Das tue ich allerdings«, sagte sie in Reptiliensprache.
    Grundy zuckte zusammen. »Du!« rief er.
    »Du meinst, daß das jetzt die Seevettel ist?« fragte Threnodia.
    »Ja«, stimmte Grundy niedergeschlagen zu. »Es sieht so aus, als hätte sie diesen Körper übernommen, nachdem der Falke starb.«
    »Ich werde sie töten!« sagte Jordan grimmig.
    »Nein, das gibt ihr lediglich die Freiheit, eine andere Gestalt anzunehmen«, warnte Grundy ihn. »Da ist es besser, wenn wir sie in einer Gestalt belassen, die wir kennen.«
    »Aber es ist eine gefährliche Gestalt«, sagte Threnodia nervös.
    »Jede Form ist gefährlich, wenn die Seevettel darin steckt«, wandte Grundy ein.
    »Ja, wird wohl stimmen«, meinte Jordan und sah Threnodia an. Deren Heilungsprozeß machte Fortschritte, doch noch immer wies ihr Körper Wundmale auf. Es war offensichtlich, daß Jordan sich viel mehr über die Verletzungen aufregte, die ihr die Vettel zugefügt hatte, als über die viel schlimmeren Wunden, die er selbst empfangen hatte. Was ja auch verständlich war, wenn man sein eigenes Talent bedachte.
    Die Allegorie lauschte ihrem Gespräch, offensichtlich konnte sie Menschensprache verstehen, auch wenn sie sich selbst nur in der Sprache der Reptilien ausdrücken konnte. »Und ich kenne auch den Ausweg von hier«, zischte sie. »Wenn ihr aus dem Immermoor entkommen wollt, kann ich euch sagen wie.«
    »Welch ein reizendes Geschäft!« zischte Grundy zurück.
    »Du weißt, was ich will, Golem«, sagte sie.
    »Was sagt sie?« fragte Rapunzel besorgt.
    »Du weißt selbst, was sie sagt«, erwiderte Grundy.
    »Oh.« Und wieder bewegte sich ihre Hand vor den Mund, in jenem mädchenhaften Schrecken, den er so anziehend fand.
    »Keine Sorge«, versicherte er ihr. »Das ist ein Geschäft, das wir niemals abschließen werden.«
    »Aber wenn sie dir die Freiheit…«
    »Nein!«
    »Doch«, zischte das Reptil. »Nicht heute, vielleicht auch noch nicht diese Woche. Aber nach einem Monat, nach einem Jahr der Trägheit und Langeweile, wie lange es auch dauern mag, wirst du verhandlungsbereit sein. Schick sie zurück in den Elfenbeinturm, dann zeige ich dir den Weg aus dem Moor.«
    »Jordan«, sagte Grundy in scharfem Ton. »Ich habe es mir anders überlegt. Ich glaube, diese Kreatur sollten wir doch lieber töten.«
    Jordan lächelte. Er zückte sein Schwert. Doch mit erstaunlicher Geschwindigkeit jagte die Allegorie zurück ins Wasser und schoß davon.
    »Wenigstens wissen wir jetzt, daß es tatsächlich einen Ausweg gibt«, meinte Grundy.
    »Ja, es gibt einen Ausweg«, bestätigte Rapunzel und blickte ihn dabei an.
    Später am Nachmittag kam Threnodia zu Grundy. »Ich werde langsam wieder gesund«, sagte sie. »Ich könnte eine Gestalt annehmen, die hinter der Allegorie herjagt, und…«
    »Wozu?« fragte er. »Wir sollten sie wirklich nicht töten, und sie wird uns bestimmt nicht mitteilen, was wir wissen wollen, jedenfalls nicht ohne einen Handel, auf den ich mich nicht einlasse.«
    »Ich hatte an etwas Heimtückischeres gedacht«, meinte sie. »Tief in meinem Innern bin ich nicht gerade die netteste aller Frauen. Ich habe schon einige ganz schön üble Dinge getan, für Sachen, die ich für richtig hielt. Ich weiß, daß ich tun kann, was ich tun muß.«
    Nun war seine Neugier geweckt. »Und was ist das?«
    »Ich kann sie fangen und ihr solange wehtun, bis sie uns sagt, wie wir hier herauskommen.«
    »Sie foltern?«

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