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Turner 02 - Dunkle Vergeltung

Turner 02 - Dunkle Vergeltung

Titel: Turner 02 - Dunkle Vergeltung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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Whyte Laydie aus ihrem Kasten und ging mit ihr auf die Veranda hinter dem Haus. Berührte mit den Fingern behutsam die Saiten und erinnerte mich dabei an die Stücke, die mein Vater gespielt hatte, und vor ihm schon sein Vater, »Pretty Molly«, »Mississippi Sawyer«, »Napoleon Crossing the Rhine«. Und ich erinnerte mich auch an die Berührung meines Vaters. Die Saiten klangen eine ganze Weile nach, nachdem ich mit einem Finger darüber gestrichen hatte.
    »Ich hatte«, erzählte mir Isaiah Stillman bei meinem zweiten Besuch - während J.T. und Moira still nebeneinander auf der Bank saßen und sich langsam anfreundeten - »das überwältigende Gefühl, dass mein Leben ein Buch sei, in dem ich nur mal geblättert hatte - ein Buch, das vielleicht nicht besonders bedeutsam war, aber es doch verdient hatte, gelesen zu werden. Unterdessen lag meine Großmutter im Sterben. Wir waren weggezogen und ich hatte nie die Gelegenheit gehabt, sie wirklich kennenzulernen. Ich fuhr hin und zog bei ihr ein - ländliches Iowa, ein Bauernhaus in einem Ort namens Sharon Center, vier Häuser und eine Werkstatt, kaum Leute außer den Amish ringsherum - und begleitete sie durch ihre letzten Tage.«
    Während ich die Whyte Laydie an mich gedrückt hielt, musste ich an meine eigene Großmutter denken,
die sich so beharrlich geweigert hatte, ihre Krebskrankheit zu akzeptieren, die sie viel zu früh aus dem Leben riss. Sie hatte meinem Großvater befohlen, hinter ihr zu gehen, damit er ihr sagen konnte, ob an ihrem Kleid Blutspuren waren. Was habe ich von ihr behalten? Einige wenige, verschwommene Erinnerungen. Meinen Großvater lernte ich erst richtig kennen, als er später bei uns lebte. Meine Eltern interessierte es nicht, was er zu sagen hatte. Ich hingegen war fasziniert von seinen Geschichten und konnte nicht genug von ihnen bekommen.
    »Am Ende ging sie in ein Krankenhaus nach Iowa City«, erzählte Stillman. »Es war nicht das, was sie wollte, aber es gab noch andere Erwägungen, die berücksichtigt werden mussten. Während ich neben ihrem Bett stand, betrachtete ich die Kurven auf dem EKG-Monitor, und sie erschienen mir wie kleine Wellen. Wellen, die in die Welt hinaus strömten und zu großen Wogen wurden, immer weiter und weiter, und auf ihre Art nie enden würden.«
    Meine Großeltern hatten einen Lebensmittelladen auf dem Land. Mit einem alten Metzgerblock, den Kühlschrank voll gepökeltem Schweinefleisch, Speck und anderem billigen Fleisch, verschiedene Schokoriegel hinter einer Glastheke, eine andere voller Hygieneartikel und solchen Dingen, abgenutzte Holzregale mit zu Pyramiden gestapelten Konservendosen, dann der unvermeidliche Apparat mit Softdrinks, aus dem einen die Kronkorken von Coke, Pepsi, Nehi Grape und Schokodrink-Flaschen
anblinzelten. Man zog das gewünschte Getränk an den Stahlschienen entlang, an denen es mit dem Hals eingehängt war, bis zu der Ausgabeöffnung, und dann warf man seinen Zehner ein.
    Wenn ich im Sommer ein oder zwei Wochen bei ihnen verbrachte, durfte ich im Laden arbeiten. Ich reichte Baby-Ruth-Schokoriegel über die Theke, Weißbrot-Laibe, Zahnpastatuben und dicke Gläser mit Arid-Deodorant, nahm das Geld entgegen, drückte auf den Knopf, mit dem sich die Kassenschublade so pompös öffnete, und gab das Wechselgeld heraus. Die meisten Kunden waren Farbige, die auf den umliegende Farmen arbeiteten. Nachmittags kamen die weißen Besitzer rein, nahmen sich einen Softdrink und setzten sich zu einem Schwätzchen mit meinem Großvater hin.
    »Sie sprachen vorhin von anderen Erwägungen, die berücksichtigt werden mussten«, sagte ich zu Stillman.
    »Ja, Familienmitglieder, die am Ort wohnten. Obwohl meine Oma sehr bescheiden gelebt hatte, waren die Verwandten fest davon überzeugt - eine alte Familienlegende -, dass die alte Frau irgendwo riesige Geldsummen gehortet hatte.«
    Moira bemerkte, dass ich hinüber sah, hob ihre Hand und winkte andeutungsweise. Kurz danach tat J.T. dasselbe.
    »Das Witzige daran war, dass es tatsächlich stimmte«, fuhr Stillman fort. »Fast eine Million. Zu dem Zeitpunkt hatte sie allerdings einen großen Teil davon bereits verschenkt. Stellen Sie sich vor, wie sauer die waren.«

    Das tat ich, und als schadenfroher Mensch, der ich nun mal bin, amüsierte ich mich köstlich.
    »Was übrig war, wanderte in eine Stiftung, die ich immer noch leite.«
    »Ohne Strom oder Telefonanschluss?«
    »Es gibt Batterien und Satelliten. Ein Laptop.«
    »Wie sich die Welt verändert

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