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Turner 02 - Dunkle Vergeltung

Turner 02 - Dunkle Vergeltung

Titel: Turner 02 - Dunkle Vergeltung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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öffnet sich an kleinen Scharnieren. Ein geliebtes T-Shirt, das vor langer Zeit verloren ging. Der hellgrüne Chenille-Bettüberwurf - seine Knoten vom Benutzen zu Knubbeln verfilzt - den ich als Kind hatte und an den ich mich Nacht für Nacht in meiner Zelle sitzend erinnerte. Genau genommen war ich am Neujahrsabend eingebuchtet worden.
    Die Bäume sind im Gefängnis immer weit fort. Aus dem Hof konnte man zu einer Reihe von ihnen hinüber sehen, wie zu einer Fata Morgana am Horizont, so weit weg und unwirklich, dass es ebenso gut ein anderer Planet hätte sein können. Damals waren sie natürlich kahl, nur graue Flecken mit Stamm und Ästen gegen das hellere Grau des Himmels. Als der Frühling kam, war ihr Grün wie eine Wunde.
    In jenem Frühling pflanzte Danny Lillo in einer Ecke des Hofes die Kerne eines Apfels ein, den seine Tochter ihm mitgebracht hatte. Jeden Tag tauchte er die Schöpfkelle in den Tank, der uns im Hof mit Trinkwasser versorgte und trug das Wasser in seinem Mund hinüber in
die Ecke. Woche für Woche sahen wir zu. Sahen, wie sich das erste ovale Grün aus dem Boden erhob, und wie der dritte Satz Blätter kleine Spitzen entwickelte. Dann kamen wir eines Nachmittags hinaus und jemand hatte ihn herausgerissen. Vielleicht zehn Zentimeter lang, lag er dort mit schlaffen Wurzeln auf der Seite. Danny stand eine ganze Weile dort und sah auf ihn hinunter. Wir alle, die wir schon so viel aufgegeben hatten, Danny, der die Kerne eingepflanzt hatte, die andern, die einfach nur zugesehen und gewartet hatten, derjenige, der ihn rausgerissen hatte - wir alle hatten etwas verloren, das wir nicht einmal benennen konnten, wir alle spürten etwas, für das es, wie für so vieles an diesem grauen Ort, keinen Namen gab.

Kapitel Einundzwanzig
    Und da war ich wieder, wieder in dieser Welt, so fremd und so vertraut zugleich, und dies hier war mein Leben. Keine große Erkenntnis oder Erleuchtung linste durch die Bodenbretter. Der Soundtrack meiner Tage, unschuldig bis auf das immerwährende Summen der Erinnerungen. Man sehnt sich nach den drei Akkorden eines Hank-Williams-Songs, um es alles ordentlich an seinen Platz zu rücken.
    Auf dem Zettel hatte ich: eine alte Blockhütte, die ich unbedingt restaurieren wollte, ein Job, der sich eher ungeplant ergeben hatte, ein Haufen Freunde, ebenfalls ungeplant. Und Val. Sie war geplant. Vielleicht nicht direkt zu Beginn, aber später schon.
    Und immer wieder die Verwunderung über die simple Tatsache, dass ich überlebt hatte.
    Miss Emily war froh, mich wieder zu haben, da bin ich ziemlich sicher. Die Kleinen fanden alleine schon gut zurecht und streunten in jeder Ecke der Blockhütte herum. Nicht, dass das Haus viele Ecken gehabt hätte, oder wir sie bei ihrem Gequieke groß hätten suchen müssen. Val lag, in Unterhose und einem ausgeblichenen Riley-Puckett-T-Shirt, schlafend auf der Couch. Als ich sie küsste, sah sie mich ausdruckslos an, musste sich einen Moment konzentrieren, sagte: »J.T. wurde angerufen«,
und fiel zurück in den Schlaf. Ihre Aktentasche lag auf dem Küchentisch. Akten-Etiketten lugten über den Rand. Auf dem Boden neben dem Tisch lag der Whyte-Laydie-Banjo-Koffer.
    »Sie wollen, dass ich zurückkomme«, sagte J.T., die von der Veranda herein kam, nachdem sie ihr Telefonat beendet hatte. »Ein paar Federal Marshals haben einem Gentleman in einem Motel draußen auf der St. Louis Avenue einen Besuch abgestattet und wurden zum Dank für ihre Bemühungen umgepustet. Da ist gerade die Hölle los.«
    Sie nahm sich ein Glas vom Abtropfgestell, schenkte sich aus der Flasche ein, die vor mir stand und setzte sich an den Tisch. Emily kam wieder herein, um uns zu kontrollieren, die Schnauze sorgenvoll schnüffelnd in der Luft. Sie musste schon auf ihre nervigen Gören aufpassen. Wurde von ihr jetzt noch erwartet, dass sie auch auf uns ein Auge hatte?
    »Ich habe denen gesagt, kommt gar nicht in Frage.«
    »Bist du dir sicher?«
    »Bin ich. Stört es dich?«
    »Nicht im Geringsten. Es ist schön, dich hier zu haben.«
    »Ganz meinerseits.«
    Ich schenkte uns beiden noch einmal einen Schluck ein. »Hör mal.«
    Die Tür nach draußen war geöffnet und sie blickte hinüber, durch das Fliegengitter. »Was?«
    Genau. Viel zu still. Noch nicht einmal Frösche. Aber
natürlich war es durchaus denkbar, dass ich einfach langsam paranoid wurde.
    Jedenfalls saßen wir dort, genehmigten uns noch ein Glas, und es passierte nichts weiter. Als J.T. ins Bett ging, nahm ich die

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