Turner 02 - Dunkle Vergeltung
mitbringen, nach dem Sie aussehen«, sagte der Mann aus dem Anbau und bot mir eine Hand an, die ich schüttelte. Älter als der Rest, stramm auf Ende dreißig zugehend, dunkle Augen, buschige Augenbrauen, schlechte Haut.
»Ich bin der Deputy Sheriff«, sagte ich, »bringe aber keinen Ärger. Zumindest nicht von der Sorte, an die Sie denken.«
»Das hört man immer gerne. Isaiah Stillman.« Mit einem Kopfnicken in Richtung Nathan, der abseits am Rande der Lichtung stand, fügte er hinzu: »Ihr Freund ist auch willkommen.«
»Mein Freund hält nicht viel von Gesellschaft.«
»Aha. Ist er derjenige, der weiter unten am Berg lebt?«
»Genau der.«
»Na schön, was kann ich für Sie tun, Deputy? Wenn wir …«, er hielt inne, sah mich an. »Nach unserer Auffassung ist das hier freies Land.«
»So weit man das heutzutage noch sagen kann, ja.«
Ich beschrieb den jungen Mann, der letzte Nacht am See gestorben war, und erzählte Stillman, wie es passiert war.
»Es tut mir wirklich leid, das zu hören.«
»Dann kannten Sie ihn also?«
»Natürlich. Kevin. Wir haben uns schon gefragt, wo er diesmal hingegangen ist. Ist nie lange an einem Ort geblieben. Er ging weg, verschwand für ein, zwei Tage oder eine Woche. Aber er ist immer wieder zurückgekehrt.«
Die Frau, die die Sassafraswurzeln abgerieben hatte, legte den Lappen beiseite, trat hinter Stillman und berührte ihn an der Schulter. Als er sich umdrehte, bewegten sich ihre Lippen, aber es kam kein Ton. Er nahm ihre Hand, legte sie gegen seine Kehle und sagte: »Es ist Kevin, Moira. Kevin ist tot.« Ihr Mund öffnete sich und formte ein stilles, rundes Nein. Einen Augenblick später kehrte sie zu der Bank und ihrer Arbeit zurück. Die andere Frau dort legte ihr kurz die Hand an die Wange.
»Wir essen bald zu Abend«, sagte Stillman. »Leisten Sie uns Gesellschaft?«
Das taten wir und ließen uns nieder zu einer Mahlzeit aus lauwarmem Sassafrastee, Gemüse und gekochtem Reis mit Schwarzaugenbohnen …
»Unsere Version von einem Hoppin’-John-Eintopf«, sagte Stillman.
»Interessant.«
»Angereichert mit Wurzeln anstatt mit Schinken oder Speck, wir sind ja Vegetarier.«
… und etwas, das ein Hoecake-Maismehlkuchen sein musste, von dem ich wie vom Hoppin’ John bis dato nur gelesen und gehört hatte.
»Köstlich.«
J.T. sah mich mit hochgezogenen Augenbrauen an. Nathan hatte inzwischen seine Hochnäsigkeit abgelegt und war nun damit beschäftigt, den Gemüsesud mit einem Stück vom Hoecake aufzusaugen.
»Wir haben vor, irgendwann unser eigenes Maismehl zu mahlen«, sagte Stillman.
War ja klar.
»Ich sollte die Familie Ihres Freundes benachrichtigen«, meinte ich. Nahm mir noch einen Löffel Hoppin’ John. Man konnte sich an das Zeug gewöhnen.
»Wir sind seine Familie, Mr. Turner.«
»Keine direkten Angehörigen?«
»Sein Vater hat ihn rausgeworfen, als er vierzehn war. ›Der alte Herr war Ingenieur‹, sagte Kevin immer. ›Er wusste, wie die Dinge laufen sollen.‹ Ein oder zwei Jahre blieb er in der Nähe der Stadt. Er traf sich mit seiner Mutter, die ihm Geld gab. Als sie starb, ging Kevin endgültig fort.«
»Was ist mit den Übrigen hier?«
»Ob sie Familie haben, meinen Sie?«
»Ja.«
»Einige ja, andere nein. Für uns ist Familie …«
Die Frau, die taub und stumm zu sein schien, lehnte sich über den selbstgebauten Tisch und machte eine wegwerfende Geste.
»Moira hat Recht«, sagte Stillman.
»Das sagst du immer «, entgegnete einer der anderen.
Er ignorierte den Einwurf. »Das ist nicht der richtige Zeitpunkt, um über so etwas zu reden. Außerdem wird es langsam spät. Ich nehme an, Sie wollen sich auf den Rückweg machen.«
»Sollten wir wohl, ja.«
»Sie und Ihre Freunde sind hier immer willkommen. Können Sie sich um Kevins Begräbnis kümmern, oder sollen wir das tun?«
»Das können wir erledigen.«
»Wir werden es selbstverständlich bezahlen.«
»Die Stadt …«
»Es ist unsere Verantwortung. Wir haben Geld.«
J.T., Nathan und ich ließen den Blick über das Camp schweifen, realisierten dann, was wir taten, sahen einander an und lächelten.
»Ernsthaft«, betonte er. »Kein Problem - auch wenn es nicht danach aussieht. Wir erwarten eine Rechnung. Wir sind ihnen in jedem Fall zu Dank verpflichtet.«
Moira hob die Hand zum Abschied. Nathan, J.T. und ich machten uns auf den Weg, begleitet von einem Halbmond und den Rufen der Nachtschwalben, und stiegen auf der anderen Seite den Hang hinab. Wir staksten wie
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