Twin Souls - Die Rebellin: Band 2 (German Edition)
offen. Wenigstens war es hier viel besser, als es in Lupside gewesen war. Ryan ignorierte die Leute immer, und ich hatte mich daran gewöhnt, es ihm gleichzutun. Während ich neben Vince herlief, bestand keine Notwendigkeit, so zu tun, als starre uns niemand an, weil es tatsächlich niemand tat. Irgendwann hörte ich sogar auf, über die Schulter zu sehen und nach Dr. Lyanne Ausschau zu halten.
» Was ist? « , fragte ich, als ich Vince dabei ertappte, wie er mich musterte.
Er zuckte mit einer Schulter. Er war so viel größer als ich, dass ich mir unangenehm den Nacken verrenkte, wenn wir Seite an Seite standen. » Hör zu, wegen dem, was da bei mir vorgefallen ist … «
Ich zuckte zusammen und wäre beinah stehen geblieben. » Du warst dort? «
» Nein, nein, natürlich nicht. Aber Jackson hat es mir danach erzählt. Bevor er, du weißt schon, sich dünngemacht hat. « Er grinste. » Ich glaube, du hast ihn mit deinem Schrei in Panik versetzt. «
» Ich habe nicht geschrien. « Mein Blick riss sich von ihm los, auf der Suche nach etwas, an dem er Interesse heucheln konnte.
» Hey, ich hab doch nur Spaß gemacht « , sagte Vince. Wir blieben an einer Kreuzung stehen, um darauf zu warten, dass die Ampel umsprang, und er beugte sich etwas zu mir herunter und senkte die Stimme. » Aber dir geht es doch gut, oder? «
Ich sah ihm in die Augen. Er wirkte ungewöhnlich ernst und ich nickte.
» Gut. « Die Ampel sprang um. Er nahm meinen Arm und sagte mit einem übermütigen Funkeln in den Augen: » Dann mal los. Lass uns ein Verbrechen begehen. «
Vince und ich trafen Josie vor dem Fotoladen. Sie hatte ihre Haare zu einem Pferdeschwanz zusammengefasst, der den stumpfen Schnitt ihres Ponys noch betonte. Ihre Jacke war dunkel, fast schwarz. Sie wirkte härter als je zuvor.
Ich wünschte mir, Sabine hätte die Kontrolle gehabt. Sabines Selbstvertrauen war von großer Bedeutung, wurde mir allmählich klar. Es äußerte sich in ihrem festen Blick, in ihrer stolzen Haltung. Und es übertrug sich auf alle, die sich in ihrer Nähe aufhielten – schenkte auch ihnen Selbstvertrauen.
Die Dämmerung setzte hier spät und langsam ein, sogar im Herbst, aber die Stadt war in Dunkelheit gehüllt, als Josie schließlich auf einen Parkplatz in der Nähe des Benoll-Krankenhauses einbog.
Wir überquerten die Straße und Josie flüsterte uns im Gehen Anweisungen zu. » Vince, du musst mit mir über den Zaun steigen. Bleib dicht hinter mir. Wir wollen die Kamera nicht mit Filmmaterial versorgen. Eva, steh Wache für uns. «
Ganz am Ende des Krankenhaushinterhofs, umgeben von einem hohen Maschendrahtzaun, ragten drohend die dunklen Umrisse der Sauerstofftanks auf: ein großer Zylinder mit circa einem Meter Durchmesser, der doppelt so hoch wie breit war, und einige kleinere, die ungefähr Hüfthöhe besaßen. Außerdem stand noch eine Art Regal dort mit den vermutlich kleinsten Tanks. Der ganze Bereich lag glücklicherweise im Dunkel.
» Ich habe eine ziemlich gute Vorstellung davon, wo die toten Winkel der Kamera sind, aber für den Fall, dass einer von uns in ihr Visier gerät … « Josie zog drei selbst gebastelte Masken aus der Tasche. Skimasken, mit herausgeschnittenen Löchern für Mund und Augen. So wie diejenigen, die Verbrecher in Filmen immer trugen. Gelächter sprudelte widerlich süß in meiner Kehle.
» Echt jetzt? « , flüsterte ich.
» Auf diese Weise bekommen sie wenigstens keine Aufnahme von unseren Gesichtern. « Josie warf mir eine Maske zu, dann streifte sie ihre über. » Los, kommt. «
Die Wolle war heiß und kratzte auf meiner Haut. Ich zog eine Grimasse und zerrte daran, in dem Versuch, einen angenehmeren Sitz zu erreichen. Mit ihren verhüllten Gesichtern wurden Josie und Vince zu fremden, düsteren Gestalten. Wie sah ich aus? Entschlossen, gefährlich, wie sie? Oder nur wie irgendein blödes Mädchen mit einer Skimaske über dem Gesicht?
Josie bedeutete mir, stehen zu bleiben, als wir noch ein Dutzend Meter oder so vom Zaun entfernt waren. Sie drückte mir eine winzige Taschenlampe in die Hand. » Bleib hier stehen. Falls etwas ist, leuchte damit in unsere Richtung, okay? «
Ich nickte, die Taschenlampe eisern umklammernd.
Der Zaun, der die Sauerstofftanks umgab, war hoch, aber Josie und Vince schoben ihre Schuhspitzen in die Maschen und kletterten flugs hinauf. Der Zaun ächzte unter ihrem Gewicht. Ich hielt den Atem an, als Josie sich darüberschwang und losließ. Vince folgte einen Moment
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