Twist again: Die Spellmans schlagen zurück (Familie Spellman ermittelt) (German Edition)
ganz vergessen.«
Wäre ich weniger mit meinen Problemen beschäftigt gewesen, hätte ich meiner Mutter einen längeren Vortrag über ihre laxen Erziehungsmethoden gehalten. Als ich noch ein Kind war (unfassbar, dass ich auch schon zu dieser Formel greife), wurde ich nicht mit den Autoschlüsseln belohnt, wenn ich das Eigentum Dritter beschädigt hatte.
In Wahrheit ging es Mom zur Zeit um ganz andere Dinge. Auf dem Tisch lagen lauter bunte Prospekte, die sich bei näherem Hinsehen als Broschüren der einschlägigen Elite-Universitäten erwiesen.
»Ist das für Rae?«, fragte ich.
»Nein, für dich«, erwiderte sie. »Ich habe die Hoffnung immer noch nicht aufgegeben.«
Den Sarkasmus überging ich. »Wo hast du das her?«
»Ich war auf einer Bildungsmesse. Mit diesen Ergebnissen bleibt Rae keine Wahl, sie muss studieren. Mindestens die vier Jahre bis zum Masterabschluss. Eine Promotion sollte auch noch drin sein.«
»Sie will euren Laden übernehmen, Mom. Das ist das Einzige, was sie interessiert.«
»Den Laden kann sie auch nach ihrem Studium übernehmen. Bis dahin überlegt sie es sich vielleicht anders.«
»Du kannst sie nicht zum Studium zwingen.«
»O doch«, entgegnete Mom im Brustton der Überzeugung.
»Wenn du meinst.« Ich wollte die Bühne schleunigst räumen, bevor das Drama seinen wie auch immer gearteten Lauf nahm. Aber ich war nicht schnell genug.
»An deiner Stelle würde ich mich bei dieser Vermittlungssache nicht so stark engagieren«, sagte Mom.
»Wie bitte?«
»Henry scheint es diesmal ja ziemlich ernst zu sein, mit dieser Frau, oder täusche ich mich?«
»Kann sein.«
»Und das macht dir gar nichts aus?«
»Nein.«
Meine Mutter warf mir einen möglichst vielsagenden Blick zu; ich tat nach Kräften so, als hätte ich ihn nicht bemerkt.
»Hör auf mich, Isabel: Wenn du weiter so untätig zusiehst, wird bald alles zu spät sein.«
»Was geht es dich an?«
»Ich bin deine Mutter.«
»Es ist mein Leben. Du sitzt bloß im Zuschauerraum.« Ich stand auf.
»Wenn das so ist, will ich mein Geld zurück!«, brüllte Mom mir hinterher, als ich zur Tür ging. »Du ziehst nämlich eine miserable Show ab.«
FALL NR. 001
KAPITEL 2
Inzwischen fragen Sie sich bestimmt, wie mein einziger Fall lief – Ernie Blacks Ehefrau, die ihm aller Wahrscheinlichkeit nach keine
Hörner aufsetzte. Am Tag nach meinem Gastspiel als Mediatorin rief Ernie an, um mir mitzuteilen, dass seine Frau wieder mal mit ihrer Freundin verabredet war,
der reichen Kongressabgeordnetengattin. Er deutete an, die Beziehung zwischen beiden Frauen sei vielleicht mehr als nur Freundschaft. Ich hatte den Eindruck,
dass er nach jedem beliebigen Strohhalm griff, weil er die Ungewissheit nicht ertragen konnte (das kenne ich nur zu gut). Und trotzdem: Wäre mein zweiter
Einsatztag genauso verlaufen wie der erste, hätte Ernie mir seine hart verdienten 300 42 Piepen gezahlt und unsere Wege hätten sich für immer getrennt. Aber dann wurde es doch noch spannend.
Am Donnerstagnachmittag trafen sich Linda Black und Sharon Bancroft zum Lunch im Mark Hopkins Hotel. Ich konnte es nicht aus unmittelbarer Nähe verfolgen, da der Oberkellner vermutlich keine junge Frau in Jeans und T-Shirt an einem seiner Tische geduldet hätte, die höchstens ein Wasser oder einen Kaffee bestellte. Etwaige Spesen – wie etwa ein kostspieliges Restaurantessen – hätte ich im Voraus von meinem Klienten absegnen lassen müssen, da wir keine Pauschale vereinbart hatten. Außerdem hatte ich nicht die Zeit, nach Hause zu fahren und mich umzuziehen. Also blieb ich im Auto sitzen, das gegenüber von Lindas Wagen geparkt war, und las anderthalb Stunden lang Zeitung.
Keine Sorge. Der spannende Teil kommt noch.
Linda und Sharon verließen gemeinsam das Hotel. Sharon gab dem Diener ihren Parkschein, und er holte ihren funkelnagelneuen Jaguar. Die Frauen nahmen in der Einfahrt Abschied. Ich sah, wie Sharon zu lächeln versuchte und Linda auf die Wange küsste. Die Rothaarige trat immer wieder einen Schritt zurück, sie wollte gehen, aber Sharon sprach unaufhörlich weiter. Als Linda endlich wegkam und die paar Meter zu ihrem Auto lief, wirkte sie auf einmal sehr ruhig und gelassen. Falls ich meinem Fernglas trauen durfte.
Ich startete den Motor und wartete, bis Linda aus ihrer Parklücke fuhr. Sie war leicht zu verfolgen, denn sie nahm ihre Umgebung kaum wahr und hegte auch nicht den leisesten Verdacht, dass jemand sie beschatten könnte. Das hieß, sie
Weitere Kostenlose Bücher