Twist again: Die Spellmans schlagen zurück (Familie Spellman ermittelt) (German Edition)
setzte Henry seine Inquisition fort.
»Das habe ich dir eben erklärt. Ich bin zur Zeit arbeitslos und habe kein Geld für die Miete«, sagte ich. »Und erzähl das bloß keinem Mitglied des Spellman-Clans.«
»Da kannst du ganz unbesorgt sein. Mit denen wechsle ich kein Wort mehr.«
»Falls du die Sippenhaft irgendwann aufhebst, sag ihnen bitte auf keinen Fall, dass ich umgezogen bin.«
Daraufhin schwiegen wir beide längere Zeit, was mich persönlich nicht weiter bedrückte – Übung macht die Meisterin. Aber irgendwie hatte ich das Gefühl, dass Henry etwas mit mir besprechen wollte. In dieser Stadt gibt es Tausende von Bars, nicht wenige davon in seiner unmittelbaren Nachbarschaft, wo er sich ganz ungestört einen Drink hätte genehmigen können.
»Wie geht’s dir so, Henry?«
»Bestens«, antwortete er schroff.
»Wie geht’s Maggie?«
»Keine Ahnung.«
»Wie kommt’s?«
»Ich habe sie schon ein paar Tage nicht gesehen.«
»Ist sie verreist?«
»Nein.«
»Auf der Flucht?«
»Mit dir kann man wirklich kein normales Gespräch führen«, sagte Henry und stand auf. Jetzt klang er weniger verärgert als enttäuscht. Es war einer dieser seltenen Momente, in denen mir klar wurde, wie sehr ich die Geduld meiner Mitmenschen strapazierte. Ich packte Henry am Handgelenk.
»Geh nicht«, sagte ich. »Ich gebe mir auch Mühe. Versprochen.«
Henry sah mich befremdet an. Vermutlich fragte er sich, was ich im Schilde führte.
»Setz dich«, sagte ich.
Danach folgte eine extrem lange, extrem unbehagliche Pause, weil ich einfach nicht wusste, wie ich anfangen sollte.
»Warum erzählst du mir nicht einfach, was passiert ist?«, fragte ich schließlich.
»Wir haben uns getrennt«, antwortete Henry.
»Das tut mir leid«, sagte ich. »Wie kommst du damit klar?«
»Ganz gut, danke.«
»Willst du darüber reden?«, fragte ich.
»Nein.«
Daraufhin setzte die nächste lange Pause ein. Ich möchte betonen, dass ich mich für meinen Teil sehr vernünftig und zurückhaltend geäußert habe. Ein weiterer Beweis für meine Fortschritte im Umgang mit anderen. Ich trank meinen Kaffee aus und deutete auf Henrys Glas. Connor, der offenbar über mehr Takt und Menschenkenntnis verfügte als ich, stellte mir lautlos einen Whisky hin, um mein Nicht-Gespräch mit Henry möglichst nicht zu unterbrechen.
»Soll ich dir von meinen Problemen erzählen, zur Ablenkung?«, fragte ich.
Henry sah mich an. Fast hätte er gelächelt.
»Ja«, sagte er.
Und so teilte ich ein paar meiner Erlebnisse mit ihm: Wie ich zwar in jedem Bus, aber in keinem Bett einschlafen konnte. Wie verheerend der Schlafmangel sich auf mein Gedächtnis auswirkte, weil ich ständig Namen und Termine vergaß, vor allem aber, wo ich mein Auto zuletzt geparkt hatte. Ich verriet ihm sogar, dass ich einen Job beim ärgsten Feind meines Vaters angenommen hatte (ohne ins Detail zu gehen, wegen der legalen Grauzone), obwohl ich kurz zuvor noch behauptet hatte, keine Arbeit zu haben. Zum Glück schien ihm der Widerspruch nicht aufzufallen. Danach erzählte ich von meiner erfolgreichen Therapie. Als Henry mich fragte,wie sich der Erfolg bemerkbar machte, war ich zunächst um eine Antwort verlegen, aber dann fiel mir der Brief an meine Eltern ein. Bald war auch dieses Thema erschöpft, und so griff ich für die Schlusspointe auf eine riskante Information zurück – riskant deshalb, weil sie neue Fragen aufwerfen würde, wobei ich sicher war, mich bei Bedarf herauslavieren zu können.
»Und ich werde erpresst«, verkündete ich stolz.
Da Henry eher zweifelnd dreinblickte, zog ich das jüngste Schreiben aus meiner Tasche.
»Was haben sie gegen dich in der Hand?«, fragte er.
»In meiner Jugend habe ich mal einen Spirituosenladen ausgeraubt. Bestimmt steckt eine meiner damaligen Mittäterinnen dahinter.«
Henry schenkte meiner haarsträubenden Geschichte sichtlich keinen Glauben. Er hielt das Erpresserschreiben ins Licht.
»Rae steckt dahinter und sonst niemand«, sagte er im Brustton der Überzeugung.
»Vielleicht«, antwortete ich. »Mein Vater kommt allerdings auch in Frage.«
»Wenn du mit seinem Auto fertig bist, kannst du gern meins waschen und polieren.«
FALL NR. 001
KAPITEL 8
Auf dem Weg nach »Hause« rief ich Petra an und versorgte sie mit einem Gabe-Psychogramm aus meiner ganz persönlichen Perspektive. Im Gegenzug erzählte sie mir von der Romanze, die sich zwischen ihnen anbahnte – sie sahen sich praktisch jeden Abend, hatten aber noch nicht das
Weitere Kostenlose Bücher