Twitter: Eine wahre Geschichte von Geld, Macht, Freundschaft und Verrat (German Edition)
zurück.«
»Jemand muss dazu einen Antrag stellen«, merkte Ted an. Er bat zwei Leute im Raum, den Antrag einzubringen. Ev schaute sich um, wer sich melden würde.
»Ich«, sagte Fred, der dem Gezerre der vergangenen Woche endlich ein Ende setzen wollte.
Einen kurzen Augenblick herrschte Schweigen. Weder Fenton noch Bijan meldeten sich, auch Dick nicht. Stattdessen war es Jack, der seine Hand hob.
»Ich bin der Zweite«, sagte er.
In diesem Augenblick trat Ev schlagartig vor Augen, was geschehen war. Es war Jack, der hinter allem stand, er war der Stratege, der die ganze Partie zehn Schachzüge im Voraus geplant hatte. Es war seine Rache.
Ev war, wie ihm jetzt schon etliche Anwälte, freilich in juristischen Begriffen, klargemacht hatten, am Arsch. Der Verwaltungsrat hatte monatelang den Rauswurf des Vorstandschefs vorbereitet und dafür gesorgt, dass Ev nichts dagegen unternehmen konnte, sobald sich das Räderwerk einmal in Bewegung gesetzt hatte.
Zu diesem Zeitpunkt gab es, wie einer der Anwälte bestätigt hatte, sieben Verwaltungsratssitze. Fred, Bijan und Fenton würden eindeutig für Evs Entlassung votieren. Goldman, Ev und sogar Dick würden gegen seinen Rauswurf stimmen. Somit blieb eine allesentscheidende Stimme übrig: Jack.
Als sich Ev im Raum umschaute und ihm klar wurde, dass Jack gegen ihn konspiriert hatte, dachte er an die Zeit zurück, als er zwei Jahre zuvor in seinem Wohnzimmer mit Fred und Bijan erörtert hatte, was mit Jack nach seiner Entlassung geschehen sollte.
Ev hatte damals zugestimmt, Jack als Trostpreis für seine harte Arbeit zum stillen Verwaltungsratsvorsitzenden zu machen. Dazuwar Ev nicht verpflichtet gewesen. Es gab keine gesetzliche Vorschrift oder Satzungsbestimmung, Jack diesen Posten zu überlassen – es war lediglich ein Gebot des Anstands gewesen.
Seitdem hatte er immer wieder mit dem Gedanken gespielt, Jack seinen Verwaltungsratsposten wieder wegzunehmen: wegen Jacks Medieneskapaden, weil er sich bei Leuten aus der Branche offen darüber beschwerte, dass Ev ihn rausgeschmissen hatte, weil sich Jack in seiner Twitter-Biografie als »Erfinder« darstellte; wegen ihrer grundsätzlichen Meinungsverschiedenheit über die Ausrichtung von Twitter. Doch obwohl Ev bei mehreren Gelegenheiten kurz davor gestanden hatte, Jack – einst sein Freund, nun sein größter Feind – den Sitz zu nehmen, hatte er sich immer gegen einen Konflikt entschieden. Diese Milde besiegelte Evs Untergang.
Einen kurzen Augenblick kreuzten sich im Sitzungssaal Jacks und Evs Blicke. Zu diesem Zeitpunkt war keinem von beiden bewusst, dass sie beide entscheidend dazu beitragen hatten, was aus Twitter geworden war. Das perfekte Gleichgewicht zweier Sichtweisen auf die Welt: das Bedürfnis, über sich selbst zu sprechen, und die Notwendigkeit, den Menschen Gelegenheit zu geben, das mitzuteilen, was um sie herum geschah. Eins hätte nicht ohne das andere existieren können. Dieses Gleichgewicht beziehungsweise diese Spannung hatte Twitter geschaffen. Ein Werkzeug, das von Konzerntitanen und Teenagern, von Prominenten und Unbekannten, von Spitzenpolitikern und Revolutionären benutzt werden konnte. Ein Ort, an dem sich Menschen mit einer fundamental unterschiedlichen Weltsicht wie Jack und Ev miteinander unterhalten konnten.
Ein neuer Antrag unterbrach ihr Starren. Dick sollte zum Interimschef gewählt werden. Eins, zwei, erledigt. Und dann kam ein weiterer Antrag.
»Wir wechseln die Verwaltungsratssitze«, erklärte Fenton. »Wir ernennen Jack zum exekutiven Verwaltungsratsvorsitzenden.«
Goldman und Ev sahen sich völlig entgeistert an. »Was soll das heißen, wir wechseln die Verwaltungsratssitze?«, fragte Goldman.
Ev hatte angenommen, dass er selbst auf die Position rückenwürde, die Jack für ihn warmgehalten hatte, da er ja nun nicht länger Vorstandschef war. Durch diesen Wechsel wäre Jack aus dem Verwaltungsrat ausgeschieden. Doch das hatten die anderen Verwaltungsratsmitglieder vorausgesehen. Sie hatten alles bis aufs i-Tüpfelchen geplant. Ev sollte noch tiefer die Treppe hinuntergestoßen werden. Ev war geschockt, mit welch nackter Gewalt die Verwaltungsratsmehrheit gegen ihn zu Felde zog.
Dick, der neue Interimschef, meldete sich zu Wort. »Okay, dann gehen wir also zu Twitter und geben bekannt …«, sagte er, doch Ev fuhr ihm ins Wort.
»Nein, wir ändern die Bekanntgabe«, erklärte Ev.
»Wie meinst du das?«
»Fenton und ich haben uns geeinigt, dass ich als Produktvorstand
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