Twitter: Eine wahre Geschichte von Geld, Macht, Freundschaft und Verrat (German Edition)
sonderliche Überlegungen oder Auswirkungen vergeben. Werdie Stellung eines Vorstands, Technologiechefs oder Chefs für X, Y oder Z bekam, wurde häufig in einer Scheinwelt diskutiert. In Anbetracht der Tatsache, dass 90 Prozent dieser Start-ups nicht über die Kinderschuhe hinauskamen, spielten solche Entscheidungen langfristig nur selten eine Rolle. Bei Twitter war es nicht anders.
Obwohl Biz taktische Spielchen eigentlich nicht lagen, hatte er seit Monaten auf einen gewichtigeren Posten bei Twitter gedrängt in der Hoffnung, dem Schicksal zu entgehen, das er bei seinen früheren Jobs erlitten hatte. Als er zu Blogger kam, hatte Google die Firma bereits gekauft – da gab es für ihn keinen klangvollen Titel mehr. Als er bei Odeo landete, waren auch da die wichtigen Posten bereits vergeben. Während seiner bisherigen Karriere war er immer zur falschen Zeit am rechten Ort gewesen. Um sicherzustellen, dass er bei Twitter nicht wieder in diese Falle tappte, hatte er vor einigen Wochen eine Kampagne in eigener Sache gestartet und Ev und Jack eine E-Mail geschickt.
»Es ist vielleicht unpassend, aber wenn ich nicht frage, werde ich es nie erfahren«, schrieb Biz, nachdem er ein Wochenende lang überlegt hatte, wie er es formulieren sollte. »Wie stellt ihr euch meine Position vor? Besteht die Chance, dass ich als Mitbegründer bezeichnet werde?« Ihm war klar, dass die Stellung als Mitbegründer ihm intern und extern mehr Respekt verschaffen würde, wenn die Firma wachsen sollte. Anders als die Posten des Vorstandschefs, des leitenden Geschäftsführers oder des Finanzchefs, die mit klar umrissenen Aufgaben einhergingen, bedeutete die Stellung des Mitbegründers, dass Biz machen konnte, was er wollte, und in der Firma viel Macht besäße, ohne allzu viel Verantwortung übernehmen zu müssen.
Damals waren alle davon ausgegangen, dass Ev Twitters Vorstandschef und Jack President oder Technologiechef werden würde. Aber Biz’ Rolle war durchweg unklar geblieben.
»Ich weiß die Antwort darauf noch nicht. Die Bitte ist nicht unbegründet«, hatte Ev Biz auf seine Mail geantwortet, aber auch angemerkt, dass er von der Idee nicht angetan war: »Aber aus verschiedenen Gründen wäre es vielleicht nicht gut.« (Zum einen fürchtete er, wenn er Biz zum Mitbegründer erklärte, könnten Blaine, Ray oder Jeremy denselben grandiosen Titel für sich beanspruchen).
Einige Mitarbeiter hatten dem hinteren Büro mittlerweile den Spitznamen »Purse Factory«, Taschenfabrik, gegeben, weil Sara, Evs Verlobte, vor einigen Monaten dort mit dem Vorhaben eingezogen war, Damenhandtaschen zu produzieren. Einige Bahnen Stoff lagen herum. Eine Schneiderschere. Es gab eine Nähmaschine. Der Raum wurde allerdings nur selten benutzt, um Handtaschen herzustellen, und diente weit eher als provisorisches Büro für wichtige Besprechungen.
»Ich habe beschlossen, den Vorstandsvorsitz nicht zu übernehmen«, teilte Ev nun Jack, Biz und Goldman mit und lehnte sich in seinem Stuhl zurück. Er erklärte, er werde sich zwar weiter bei Twitter engagieren und das Produkt mit seiner Erfahrung und Vision begleiten, aber er wolle sich auf Obvious Corporation konzentrieren und weiter aus seiner Ideenschmiede neue Web-Start-ups aufbauen.
Das war nicht das, was Goldman hören wollte. Er hatte gehofft, Ev würde Twitter leiten und Jack wäre ihm unterstellt, statt Firmenchef zu werden. Einige Tage zuvor hatte er bei einem gemeinsamen Mittagessen mit Biz Ev davon abzubringen versucht, Jack den Posten zu übertragen, und ihm erklärt, dass er »ihn nicht für fähig hielt, die Firma zu leiten«. Ev hatte ihm zwar zugestimmt, war aber überzeugt, man könne Jack ändern.
»Und wer wird nun Vorstandschef?«, fragte Biz.
Alle schauten auf Jack. Es stand außer Frage, dass Jack die Leitung von Twitter übernommen hatte, nachdem Ev Noah hinausgedrängt hatte, allerdings war fraglich, ob er es schaffen würde, ein richtiges Unternehmen aufzubauen. Zudem ein Unternehmen, das so schnell wuchs wie Bakterien in einer Petrischale.
Jack hatte bereits gezeigt, dass er kluge Entscheidungen treffen konnte, unter anderem mit einer E-Mail, die er Ende Januar geschrieben hatte: »Wir haben 4 und nur 4 Prioritäten: Performance,Benutzerfreundlichkeit, Leistungsfähigkeit und Kosten.« Dann hatte er einen Plan vorgeschlagen, wie sie Twitter von einer mangelhaften Internetseite zu einem reibungslosen Dienst entwickeln könnten, und ausgeführt, die Firma müsse die Server
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