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Tyggboren (Salkurning Teil 2) (German Edition)

Tyggboren (Salkurning Teil 2) (German Edition)

Titel: Tyggboren (Salkurning Teil 2) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Loons Gerringer
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und wo all diese Treibser in der
Stadt sind …“
    Als James eine Dreiviertelstunde später über den Markt
ging, entdeckte er die Menschenschlange vor dem Zelt des Größten Hakemi von
Kairope. Der machte heute ein Riesengeschäft. Schlauer Mann, hatte schnell
auf die Konkurrenz reagiert. Ob was dran war an der Sache mit dem Fieber? Bei
ihm hatte kein einziger Patient Anzeichen gezeigt, und bis auf den letzten
hatte keiner auch nur das Wort erwähnt. Er beschloss, in den nächsten Stunden
genau hinzuhören, was geredet wurde. Beim Zeichnen ging das gut, und es fiel nicht
mal auf. Er stellte also das Schreibpult hin, das sie gestern Abend in den
Tiefen von Inglewings Schrank gefunden hatten, legte einen Bogen Papier, Stifte
und ein paar Kohlestückchen bereit und wollte mit einer Marktansicht starten,
aber da blieben bereits die ersten Interessenten stehen. Als Zeichner hatte er
sich gestern wohl einen besseren Ruf erworben. Eine sehr alte, mit viel Schmuck
behängte Städterin verlangte, dass er ihre Katze malte, die sie an einer Leine
mit sich führte. Die Katze lagerte sich herrschaftlich auf den Modell-Hocker
(heute hatte er den aus seiner Praxis gleich mitgenommen), warf ihm aus
tiefgoldenen Augen einen verschlagenen Blick zu, gähnte und schlief dann
demonstrativ ein. Zumindest hielt sie still, während die Alte die ganze Zeit
über seine Schulter auf das Papier starrte und an seiner Zeichnung
herumkrittelte. Danach hatte er weniger Glück. Ein Vater wollte seine beiden
Kinder gezeichnet haben, einen Jungen und ein Mädchen um die sechs, sieben
Jahre. Beide hatten die alterstypischen großen Zahnlücken da, wo die
Schneidezähne hätten sein sollen, aber der Mann wollte, dass diese Lücken auf
dem Bild nicht erschienen. Er wollte sie außerdem beide zusammen auf dem Bild
haben, aber die Gören stritten von der ersten Sekunde an, schubsten, kniffen,
traten, beschimpften sich, rissen sich an den Haaren. James gab sich Mühe, aber
irgendwann rannte der Junge einfach davon, die Schwester fing an zu schreien
und rannte hinterher, und mit ein paar Verblüffungssekunden Verspätung und aus
vollem Halse fluchend folgte ihnen auch der Vater. Und James blieb auf seiner
angefangenen Zeichnung sitzen und war sauer wegen der verlorenen Zeit.
    Den dritten Kunden des Tages hätte er am liebsten
gleich abgewimmelt, so entnervt war er. Er überlegte, erst mal ein großes
Bratenstück vom Rost zu kaufen und einen Krug Shervis dazu und sich irgendwo in
den Schatten zu verkriechen, vielleicht an einen Platz mit Ausblick auf die
hübscheren Damen, die hier ihre Dienste anpriesen. Mit vollem Magen hätte er
danach diesem Salz-und-Seide-Unternehmen einen Besuch abstatten können. Aber
der dritte Kunde sah reich aus, gut gekleidet in einem sehr sauberen weißen
Hemd mit der modischen Doppellage Spitzen an den Manschetten, kastanienbrauner
Weste und Hose, gepflegten Händen und Schuhen mit Silberspangen – mit anderen
Worten, das war jemand, den man sich nicht entgehen lassen sollte. James hatte
schon angefangen, die Leute mit dem ersten Blick zu taxieren und seine Preise
entsprechend anzupassen. Dieser Typ trug einen breitkrempigen Hut und ließ sich
fast so würdevoll auf dem alten Hocker nieder wie die Katze vorhin.
    „Den Hut musst du aber absetzen, Ska“, sagte James.
    Das wurde kommentarlos befolgt, und darunter kam
dunkles, graugesträhntes Haar zum Vorschein, im Nacken von einer Spange
gehalten, auf der ein schwarzer Stein von drei kleinen, grauen Perlen umgeben
war … ein Ding, das einem klar mitteilte: Ich habe nicht nur Geld, sondern auch
Geschmack. Er war zwischen vierzig und fünfzig, hatte hellblaue Augen und einen
durchdringenden Blick, den im Moment leise Ironie milderte. Die schmalen Lippen
lächelten gönnerhaft, James kannte das jetzt schon. Der Blick eines
wohlmeinenden Reichen, der sich für eine kurze Weile zu einem aus dem fahrenden
Volk herabließ.
    Er wollte im Halbprofil gezeichnet werden. James legte
los. Nach einer Weile wurde ihm bewusst, dass sein Kunde ihn so scharf
musterte, als wollte er seinerseits ihn zeichnen.
    „Du machst deine Sache ganz gut, Peregrin“, sagte der
Mann, als er James’ stirnrunzelnden Blick bemerkte. „Ich hab mir das gestern
schon angesehen.“
    So? Ihm war er nicht aufgefallen. Aber er hatte auch
genug damit zu tun, sein jeweiliges Modell ins Auge zu fassen.
    „Vor allem“, fuhr der Mann fort, „wenn man bedenkt,
dass du morgens und abends auch noch als Hakemi tätig

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