Tyggboren (Salkurning Teil 2) (German Edition)
Atem war. „Sie kriegt ihr
Baby, und irgendwas stimmt nicht!“
„Oh du gütige –!“, rief Jakobe. „Und da ruft sie einen Hakemi ?! Haben die keine anderen Frauen, die ihr helfen können?“
„Die Frauen sagen, sie braucht einen Hakemi! Bitte, lasst
ihn mitkommen! Und er soll seinen Kräuterkasten mitbringen, haben sie gesagt!“
„Also, ihr hört’s ja. Wenn noch jemand für mich kommt,
sagt, dass ich morgen früh wieder da bin.“
„Dann sieh mal zu, dass du das Baby am Stück rausholst
und lebendig, vor allem, wenn’s ein Junge ist. Die Karuleirus haben da ein paar
ziemlich blutige Bräuche, wenn jemand ihre Kinder tötet –“
„Jetzt mach ihm doch nicht noch Angst, Jakobe!“ Raween
bedachte James mit einem mitfühlenden Blick.
Man konnte nur hoffen, dass er in seiner Klinik
zuhause schon entsprechende Erfahrungen gesammelt hatte … aber wenn er auch ein
bisschen blass aussah, der souveräne Gesamteindruck litt nicht darunter, fand
Kate. Vielleicht lag es an dem Gehrock und dem Hut. Wenn er den auf die
Haarwirbel stülpte, die sonst über seiner Stirn nach oben strebten, dann hatte
er nichts Jungenhaftes mehr an sich.
„Wir sagen dem Chef Bescheid, James“, sagte Nella mit
einer Stimme wie warmes Karamell.
„Danke. Bis später dann!“
„Denkst du noch an das, was ich dir heute Morgen gesagt
hab?“, rief Pix ihm hinterher. „James? Ey, hast du gehört, Mann?“
„Ich hab’s nicht vergessen, keine Sorge.“ Ohne nach
rechts oder links zu sehen, folgte er dem Mädchen und verschwand zwischen den
Marktständen.
„So ein Quatsch!“, schnaubte Jakobe. „Als wenn der da
was tun könnte! Los jetzt, packt den Kram hier ein!“
Während sie die Misteln wieder über die Leine im
Gilwisselwagen hängten, dachte Kate über James nach. Er hatte sich völlig in
die Sache mit dem Geldverdienen verbissen – als ob genug Geld die Rückkehr
garantieren würde. Sie fragte sich, ob er eigentlich schon irgendetwas
Handfestes über diese Schlepper, ihre Routen und Preise in Erfahrung gebracht
hatte. Oder klammerte er Kleinigkeiten dieser Art aus seiner Planung erst mal
aus?
„Fuck. Der spinnt doch!“ Pix stand da und sah sich im
Wagen um, wo Haufen aus Klamotten und anderem Krempel über die Schlafstellen
der Jungs verteilt waren. „Glaubt der jetzt schon selbst, dass er ein
Wunderheiler ist? Und der denkt, er kann uns hier rausbringen!“
„Es ist, als würde er die ganze Zeit mit jemandem
diskutieren, den nur er sehen kann.“
Pix glotzte sie an. „Scheiße. Das stimmt. Oh Scheiße.
Noch ein Psycho! Ich halt’s nicht mehr aus! Überall nur Irre!“
„Ich glaub nicht, dass er ein Psycho ist. Vielleicht
hat er irgendein Problem.“
„Ja. Ich hab auch eins. Hast du Tampons mit?“
„Nein, tut mir wirklich leid. Ich hab auch schon dran
gedacht. Überlegt, wann’s so weit ist. Ist nicht gerade ein angenehmer Gedanke
hier …“
„Kannst du laut sagen. Ich werd dann wohl die nächsten
Tage auf dem Topf in Jujunas Anhänger bleiben.“
Kate lachte. „Besser, wir hören uns mal um. Irgendwas
müssen die hier ja auch haben.“
„Pixie? Kate? Kommt ihr? Wir sollen Jakobe beim Tragen
helfen!“, rief Nella von draußen.
„Die lässt sich wirklich noch den Arsch nachtragen“, murmelte
Pix und stapfte hinaus.
Kate folgte ihr nachdenklich. Eigentlich brauchte sie
gar kein Rückfahrticket. An einen faszinierenderen Ort, in eine faszinierendere
Gesellschaft konnte es einen kaum verschlagen, das war ihr Fazit nach den
ersten Tagen bei den Montagus. Das war die Fremde, die sie schon ihr ganzes
Leben lang zu finden gehofft hatte. Alles um sie herum war im Fluss, die Leute
und das Leben, das sie führten, waren ihr fremd, und sie hatte keine Ahnung, wo
sie war und wo sie morgen sein würde – das war Leben pur! Pix und James
ging es nicht gut damit, das war zu sehen, und sie war gern bereit, mit ihnen
nach einem Rückweg zu suchen, aber sie selbst und der kleine Parkourläufer, sie
hatten hier etwas gefunden, das sie drüben vermissten. Die Einengungen, die das
Leben hier mit sich brachte, die Treibhausatmosphäre, die in Odette Ulgullens
Wagen herrschte – das wurde doch mehr als wettgemacht von der Fülle dessen, was
man beobachten und erleben konnte. Ihr gefiel es bei den Montagus – und wenn
sich das änderte, dann konnte sie ja weitergehen.
Als sie dann unter Jakobes Kommando Kisten und Truhen
zu der Bühne auf der Mitte des Marktplatzes transportierten, entdeckte Kate
Weitere Kostenlose Bücher